Netanjahu und gantz ringen um die macht

JERUSALEM (Reuters) - Israel’s president said on Sunday he will tap Prime Minister Benjamin Netanyahu’s rival Benny Gantz to try to form new government after a repeat election in March, according to an official statement.

Gantz, a former general, had earlier in the day won support from two key parties in his bid to oust right-wing Netanyahu, who is Israel’s longest-serving leader.

“Tomorrow, around midday, the president will assign the task of forming the government to head of (centrist Blue and White party) Benny Gantz,” President Reuven Rivlin’s office said in a statement.

Reporting by Ari Rabinovitch, Editing by Stephen Farrell

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Lange hatte Israels Oppositionskandidat Gantz eine Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu wegen dessen Korruptionsanklage abgelehnt. Doch die Corona-Krise setzt die Spitzenpolitiker nun unter Druck.

Jerusalem (dpa) - Die Verhandlungen für eine neue Regierung in Israel sind wieder ergebnislos verlaufen. Oppositionskandidat Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß hat noch bis zum späten Mittwochabend Zeit, eine Koalition zu schmieden.

Ein Treffen zwischen Gantz und Regierungschef Benjamin Netanjahu von der rechtskonservativen Likud-Partei sei beendet, teilten beide Parteien in einer Stellungnahme mit. Beide Verhandlungsteams wollten nach Ende des Pessachfestes am Mittwochabend erneut zusammenkommen, um eine «nationale Notstandsregierung» zu formen.

Ob das Treffen angesichts strikter Ausgangsbeschränkungen wegen der Corona-Krise lediglich online erfolgen soll, sagte eine Sprecherin von Blau-Weiß zunächst nicht. In Israel dürfen die Bürger bis Donnerstagmorgen grundsätzlich ihre Städte und Dörfer nicht verlassen, in Jerusalem ihre Viertel. Damit will die Regierung verhindern, dass sich Familien zum Ende des jüdischen Pessachfestes treffen und die Verbreitung von Sars-CoV-2 befeuern. Das Fest erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei.

Präsident Reuven Rivlin hatte die Frist zur Regierungsbildung für Gantz in der Nacht zum Dienstag um weitere 48 Stunden verlängert. Die neue Frist werde am Mittwoch um 24 Uhr (23 Uhr MESZ) enden, teilte Rivlins Büro mit. Sowohl Gantz als auch Netanjahu unterstützten die entsprechende Anfrage - sie sei unter der Voraussetzung zum Präsidenten gebracht worden, dass man nahe an einer Einigung sei, hieß es.

Beide haben die Absicht bekundet, eine große Koalition von Blau-Weiß und Netanjahus Likud zu bilden. Eine vierwöchige Frist zur Regierungsbildung für Gantz war am Montag um Mitternacht abgelaufen.

Israel wird seit Ende 2018 von einer Übergangsregierung unter Netanjahu verwaltet. Am 2. März hatten die Bürger das dritte Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament gewählt. Dabei gab es erneut keinen klaren Sieger, aber Gantz erhielt wegen mehr Empfehlungen von Abgeordneten den Auftrag zur Regierungsbildung. Er strebt vor dem Hintergrund der Corona-Krise eine große Koalition mit Netanjahu an, obwohl dieser wegen Korruption in drei Fällen angeklagt ist. Aus Protest dagegen hat sich ein Teil seines Bündnisses von Blau-Weiß abgespalten.

Ein zentraler Streitpunkt in den Verhandlungen war nach Medienberichten noch am Montag die Forderung des Likud nach einem Vetorecht bei der Besetzung von Richtern gewesen. Am Dienstag berichteten Medien, beide Seiten diskutierten eine Vereinbarung, wonach es zu Neuwahlen kommen werde, sollte das Höchste Gericht Netanjahu das Amt des Regierungschefs aufgrund seiner Korruptionsanklage verweigern. Grundsätzlich ist demnach eine Rotation im Amt des Ministerpräsidenten vorgesehen. Netanjahu soll als Erster eineinhalb Jahre lang das Amt bekleiden und dann von Gantz abgelöst werden.

Unter dem Eindruck der Corona-Krise war der Beginn des Korruptionsprozesses gegen Netanjahu Mitte März verschoben worden. Er soll nun erst am 24. Mai beginnen. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor. Der Regierungschef hat alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Sollten Gantz und Netanjahu sich nicht auf eine Regierung einigen, will Rivlin nach eigenen Angaben das Mandat zur Regierungsbildung an das Parlament geben. Liegt das Mandat bei der Knesset, kann jeder Abgeordnete - auch Gantz und Netanjahu - versuchen, binnen 21 Tagen die Unterstützung von 61 der insgesamt 120 Parlamentarier zu finden. Danach hat er noch einmal zwei Wochen Zeit, eine Koalition zu schmieden. Scheitert dies, muss Israel zum vierten Mal seit April 2019 wählen.

Dem Land steht ein möglicherweise wochenlanges, hässliches Ringen um die Macht bevor.

Wahlbroschüren liegen auf dem Boden im israelischen Kiryat Gat. Wer zukünftig regiert, ist unklar.

Bloomberg, 17. September 2019

Israels Wähler haben am Dienstag zwar gewählt. Entschieden, wer das Land künftig regieren soll, ist damit aber noch nicht. Die Parteien des bisherigen Premiers Benjamin Netanjahu und seines Herausforderers Benny Gantz dürften praktisch gleich viele Parlamentsmandate erhalten: nach aktuellem Stand je 32. Um eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden, bräuchten sie 61 Mandate. Davon sind sowohl Gantz als auch Netanjahu weit entfernt. Es ist die zweite Schlappe für Netanjahu innerhalb von fünf Monaten. Schon nach den Wahlen im April verfehlte er sein Ziel, eine rechts-nationale Koalition zu gründen. Deshalb waren die Neuwahlen am Sonntag überhaupt nötig.

«Netanjahu hat verloren, aber Gantz hat nicht gewonnen,» fasst ein israelischer Journalist den Wahlausgang zusammen. Erstmals seit zehn Jahren gibt es indessen eine «hohe Wahrscheinlichkeit», dass Netanjahu nicht mehr Premierminister Israels sein wird, meint Yohanan Plesner vom Forschungszentrum Israel Democracy Institute.

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Grosse Koalition erst nach Netanjahus Rauswurf

Was aber hiesse es, wenn der ehemalige Generalstabschef Benny Gantz den Langzeitpremier Netanjahu tatsächlich ablösen würde? Eines ist klar: Die Aussenpolitik des kleinen Landes bliebe in etwa dieselbe. Gantz und Netanjahu haben während des Wahlkampfs fast identische Positionen vertreten. Sie warnten vor dem Iran als Förderer des Terrorismus und gaben sich skeptisch gegenüber einer Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern. Beide würden die Siedlungsaktivitäten in der Westbank fördern.

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In einem Punkt aber äusserten sich Gantz und Netanjahu unterschiedlich. Gantz will den Einfluss der religiösen und ultra-orthodoxen Parteien zurückbinden. Netanjahu hingegen sieht sie als seine «natürlichen» Koalitionspartner.

In Jerusalem zeichnet sich nach dem knappen Ausgang ein hässliches Gerangel um die Macht ab, das sich über Wochen hinziehen könnte. Sowohl Gantz als auch Netanjahu bezeichnen sich als Wahlsieger und haben bereits gestern erste Gespräche mit möglichen Koalitionspartnern aufgenommen. Der Entscheid, ob künftig Netanjahu oder Gantz an der Spitze der Regierung stehen soll, liegt jetzt bei Staatspräsident Reuven Rivlin. Er hat laut Gesetz denjenigen mit der Regierungsbildung zu beauftragen, der die besten Chancen hat, eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Einiges spricht dafür, dass sich Rivlin für Gantz entscheiden wird. Er hat die besseren Chancen, im Parlament mit anderen Parteien auf eine Mehrheit zu kommen.

Eine entscheidende Rolle spielen könnten die arabischen Israeli, deren Vereinigte Arabische Liste neu drittstärkste Partei im Parlament wird. Die arabische Minderheit, die zwanzig Prozent der Bevölkerung ausmacht, ist nun ein ernst zu nehmender Machtfaktor im Parlament.

Arabische Israeli erhalten deutlich mehr Macht

Dem Einzug der arabischen Einheitspartei ins Machtgefüge Jerusalems will sich Netanjahu allerdings widersetzen, wie er in der Wahlnacht sagte. Er werde eine «gefährliche Regierung» mit Arabern nicht zulassen, warnte er.

Gantz zeigte sich offen für eine Koalition mit Vertretern von Netanjahus Likud-Partei. Sein Zusatz, dass er Korruption ablehne und sich für ein «sauberes Land» einsetzen werde, ist aber gleichzeitig eine Kampfansage an Netanjahu. Auf den Chef der Likud-Partei warten Anklageschriften in mehreren Fällen, die der Generalstaatsanwalt für die nächsten Wochen angekündigt hat. Es geht um Betrug, Annahme von Geschenken und Vertrauensbruch. Netanjahu beteuert seine Unschuld und hält sich an der Hoffnung fest, Premier zu bleiben und ein Gesetz durchbringen zu können, das ihm Immunität zusichert.

Hält Gantz Wort, kommt für ihn eine Kooperation mit Netanjahu im Falle der erwarteten Anklage nicht in Frage. Der Weg für eine grosse Koalition wäre deshalb erst frei, wenn es innerhalb des Likud zu einer Palastrevolution gegen Netanjahu kommt und er als Parteichef gestürzt wird. Dafür gibt es zwar noch keine Anzeichen. Likud-Politiker wollen in Interviews nichts davon wissen. Insider schliessen aber nicht aus, dass Netanjahu von seinen Parteifreunden zum Rücktritt als Parteichef gedrängt wird, um den Weg für eine grosse Koalition freizuräumen.

Gantz hatte Glück und zeigte viel Geschick

Gantz wäre dann am vorläufigen Ziel seiner Karriere angekommen. Der 60-Jährige hatte seine Militärkarriere bei den Fallschirmspringern begonnen. Sein Aufstieg war gesäumt von glücklichen Zufällen. Mehrfach verliess er gerade noch rechtzeitig problembeladene Einheiten, so dass nichts an ihm haften blieb.

Nach Ende seiner Militärlaufbahn entschloss sich Gantz für die Politik, wo Ex-Generale stets willkommen sind. Von den 19 Gantz-Vorgängern an der Armeespitze blieben lediglich drei der Politik fern.

Seine Schlagkraft erhöhte der vierfache Vater, indem er seine neu gegründete Partei mit bereits bestehenden Parteien zum Bündnis «Blau-Weiss» zusammenschloss und die Führung im Rotationssystem mit Yair Lapid, dem Chef der Zukunfts-Partei, teilt.

Der Kompromiss hat sich für Gantz gelohnt: Lapid hatte bereits ein landesweites und gut funktionierendes Netzwerk an Polit-Filialen aufgebaut, die jetzt auch für Gantz arbeiteten – und ihm vielleicht den Weg ins Büro des Premierministers ebnen werden.

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