Donald Trump hätte sie gern tot gesehen. Antron McCray, Korey Wise, Yusef Salaam, Kevin Richardson und Raymond Santana. 85.000 Dollar war es ihm immerhin wert.
Das zu sagen und öffentlich zu machen, dass er, ein bis dahin politisch nicht sehr auffällig gewordener New Yorker Immobilienverschacherer, sie hassen dürfen wollte. Und dass er für sie die Todesstrafe gern wiederhaben würde. In vier Zeitungen schaltete er Anzeigen, bevor die Prozesse losgingen gegen die fünf Jungs.
Zwischen 14 und 16 Jahre waren sie alt, angeklagt der Vergewaltigung und versuchten Tötung der 28-jährigen Joggerin Trisha Ellen Meili. Begangen in der Nacht vom 19. auf den 20. April 1989 im Central Park.
Das Verfahren, auf das Trumps öffentliche Anzeige eine nicht zu gering zu schätzende Auswirkung hatte, und seine Folgen gingen in die Justiz-, Medien- und Sozialgeschichte ein.
Wegen des Ausmaßes des Rassismus, der im Laufe der Ermittlungen und der Erlebnisse der Jungs später in den Gefängnissen offenbar wurde. Der Rassismus in den Strafverfolgungsbehörden, in den Medien, überhaupt im Alltag des scheinbar liberalen New York.
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New York, muss man dazu sagen, war damals auf dem besten Weg zur No-go-Area. Die Gewalt explodierte. Die Gesellschaft drohte zu implodieren. An die 5000 Vergewaltigungen wurden jährlich gemeldet.
Durch den Central Park zog regelmäßig ein Mob abgehängter Jugendlicher und betrieb „Wilding“, jagte Weiße, schlug und trat und randalierte.
Durch Zufall ins Unglück
Die Central Park Five – das erzählt „When They See Us“, die auf jeden Fall bewegendste, wahrscheinlich sogar beste Zeitgeschichtsserie, die man derzeit sehen kann – sind da aus unterschiedlichen Gründen und durchaus eher aus Zufall hineingeraten.
Dann wurden sie – sie kannten sich untereinander größtenteils gar nicht – festgenommen. Dann gerieten sie in eine Mühle, angetrieben von staatsanwaltlicher Profilierungssucht, polizeilichem Ermittlungswahn, öffentlichem Druck, explodierender medialer Aufmerksamkeit (der Fall war der am intensivsten begleitete Kriminalfall in der Geschichte New Yorks) und vor allem von Rassismus.
Auf dem Weg ins Unheil: Szene aus „When they see us“
Quelle: Atsushi Nishijima/Netflix
Am Ende wurden sie verurteilt, zu bis zu 14 Jahren Gefängnis. Obwohl nichts passte, keine der Spuren wirklich zu ihnen führte.
Nicht nur Donald Trumps wegen, für den die „Central Park Five“-Kampagne sein erster und sehr bezeichnender Schritt in die Politik war, ist die Affäre um die fünf „Tiere“ (Linda Fairstein, verantwortliche Staatsanwältin, später Krimi-Autorin) ein seltsam aktueller Fall.
Durch die Hölle der Verhöre
An ihm, das zeigte vor sieben Jahren schon Ken Burns’ ziemlich grandioser Dokumentarfilm, lässt sich ein bis heute aktuelles Psychogramm Amerikas aufzeigen. Von der Charakterlosigkeit einiger Medien bis zur Schwäche der liberalen Gesellschaft.
In der sechsstündigen Miniserie von Ava DuVernay, oscarnominiert für das Martin-Luther-King-Drama „Selma“, findet die Gesellschaftsanalyse eher in den Augenwinkeln statt. „When They See Us“ ist keine Hagiografie, zeichnet vielmehr authentisch die Wege der fünf in ihr Unheil nach.
Die Hölle der Verhöre, in denen die Jugendlichen ohne Eltern, ohne Rechtsbeistand, ohne Essen von enthemmten Polizisten zerfleischt wurden. Das Desaster des Prozesses, die Hölle des Knasts, in dem die fünf so zerschlagen wurden wie Kinderschänder.
Am Ende aber glaubt der Vierteiler doch noch an das Gute im Rechtssystem. Das ist fast schon ein Wunder.
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Antron McCray, Korey Wise, Yusef Salaam, Kevin Richardson und Raymond Santana wurden freigesprochen.
Matias Reyes, ein brutaler Serienvergewaltiger, der im Gefängnis Gott gefunden und (nachdem der in „When They See Us“ jedenfalls Korey Wise hinter Gittern über den Weg gelaufen war) auch das Verbrechen an Trisha Meili gestanden hatte.
Gibt es das Gute in Trump?
Ihnen wurden gut 50 Millionen Dollar an Entschädigung zugesprochen. Donald Trump fand das in seiner ganzen pompösen Verblendetheit erwartbar blöd.
Würde man an ein Gutes in ihm glauben, legte man ihm „When They See Us“ zum Schauen ans Herz.