Gesetz gleicher lohn für gleiche arbeit

Pressemitteilung | 9. März 2021

Morgen ist Equal Pay Day. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern liegt in diesem Jahr bei 18 Prozent und stagniert damit weiter auf hohem Niveau.

Dazu erklärt Susanne Kahl-Passoth, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrats:

„Immer noch ist die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern erschreckend hoch. Wir brauchen dringend wirksame gesetzliche Regelungen! Der DF fordert daher, das Entgelttransparenzgesetz zu einem wirkungsvollen Lohngerechtigkeitsgesetz weiterzuentwickeln.“

Mit einem solchen Gesetz müssen Unternehmen verpflichtet werden, Gehaltsstrukturen regelmäßig mit zertifizierten betrieblichen Prüfverfahren und gesetzlich zertifizierten Instrumenten zu untersuchen und darüber zu berichten. Zudem muss das Gesetz mit einem vereinfachten Auskunftsverfahren und stärkerer Aussagekraft (durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt sowie alle Entgeltbestandteile, Vergleich über die eigene Entgeltgruppe hinaus) weiterentwickelt werden. Aufgedeckte Entgeltungleichheiten müssen für alle Betroffenen beseitigt werden. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber wirksame Sanktionen einführt, sollten Unternehmen ihren Pflichten nicht nachkommen.

„Darüber hinaus muss die Politik für bessere Rahmenbedingungen für vollzeitnahe Erwerbsarbeit, ein Rückkehrrecht zur früheren Arbeitszeit für alle, eine faire Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit und eine Aufwertung der sozialen Berufe sorgen. Nur so beseitigen wird die ganze Lohnlücke nachhaltig!“, so Susanne Kahl-Passoth weiter.

Die GFF unterstützt seit 2017 die Klage einer Reporterin gegen Entgeltdiskriminierung. Die preisgekrönte Journalistin verklagte 2015 das ZDF, nachdem sie herausfand, dass sie schlechter bezahlt wird als ihre männlichen Kollegen – und zwar auch bei vergleichbarem Status als fest-freie Beschäftigte, vergleichbarer Art der Arbeit und Qualifikation sowie teils sogar längerer Erfahrung. Die Materialien und Auskünfte, die der Klägerin zur Verfügung stehen, zeigen ein eindeutiges Bild der Entgeltdiskriminierung. Das ZDF gab im Prozess widersprüchliche Begründungen für die unterschiedliche Bezahlung und setzte die Klägerin unter Druck. Nach Klagen vor dem Arbeitsgericht Berlin und dem Bundesarbeitsgericht sendet das Bundesverfassungsgericht ein starkes Signal: Eine erneute Zahlungsklage könnte endlich Erfolg haben.

Frauen haben das Recht, für die gleiche Tätigkeit genauso viel Geld wie ihre männlichen Kollegen zu erhalten. Hierbei handelt es sich um ein Grund- und Menschenrecht, das nicht nur im Völker- und Europarecht umfassend verbrieft ist (insbesondere in Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV), sondern sich auch aus Artikel 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes ableitet und durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) garantiert ist. Mit einer Vergütungspraxis, die Frauen benachteiligt, verstößt das ZDF als Anstalt des öffentlichen Rechts gegen das Verbot der Entgeltdiskriminierung.

Dennoch wurde die Klage im Dezember 2016 vom Arbeitsgericht Berlin in der ersten Instanz abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision in den Kernfragen nicht zugelassen. Dagegen hat die Klägerin nach erfolgloser Nichtzulassungsbeschwerde Verfassungsbeschwerde erhoben. Denn die Gerichte haben mit diesen Entscheidungen zwingend anzuwendende europarechtliche Vorgaben missachtet.

Bevor das Urteil des Bundesverfassungsgericht ergehen konnte, erzielte die Klägerin einen Riesenerfolg vor dem Bundesarbeitsgericht: Ihre Revision gegen den Ausschluss von arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten von den Auskunftsansprüchen nach dem Entgelttransparenzgesetz war erfolgreich. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Entscheidung vom 25. Juni 2020 klargestellt, dass auch fest-freie Redakteur*innen einen Anspruch auf Auskünfte nach dem Entgelttransparenzgesetz haben. Der Begriff der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sei unionsrechtskonform weit auszulegen. Es komme nur darauf an, dass „eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält“. Das Rechtsverhältnis sei „ohne Bedeutung“ (BAG, Urteil vom 25. Juni 2020, 8 AZR 145/19, Rn. 72).

Am 19. Juli 2022 verkündete schließlich auch das Bundesverfassungsgericht sein Urteil: Die 2019 erhobene Verfassungsbeschwerde der ZDF-Redakteurin wegen Entgeltdiskriminierung wurde aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen. Damit erging eine inhaltliche Entscheidung, ob die Klägerin als Frau schlechter bezahlt wurde, leider nicht. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht jedoch ein starkes Signal gesendet indem es in seinem Urteil betonte, dass eine erneute Zahlungsklage auf Basis der von ihr zwischenzeitlich am Bundesarbeitsgericht erstrittenen Auskunft über die männlichen Vergleichsgehälter Erfolg haben könnte. Die GFF wird die Redakteurin weiterhin unterstützen.

Systematische Benachteiligung von Frauen

Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung waren der Frontal21-Redakteurin ausschließlich männliche Redaktions-Kollegen in vergleichbarer Tätigkeit bekannt, die mehr verdienten als sie. Darunter auch alle Männer, die wie die Klägerin als fest-freie Mitarbeiter im sogenannten „Tarifvertrag 2. Kreis“ beschäftigt sind – sogar, wenn sie weniger Berufserfahrung hatten als sie. Auch weitere Faktoren wie Betriebszugehörigkeit, Ausbildung oder Leistung konnten diese Unterschiede nicht erklären.

Entgegen den Äußerungen von Vorgesetzten gegenüber der Klägerin, dass sich die Gehälter nach festen Kriterien richten würden und daher nicht verhandelbar seien, folgte die Einordnung in die Tarifstrukturen in der Praxis mitnichten festen und transparenten Kriterien. Vielmehr waren die Vergütungen der freien und fest-freien Mitarbeiter*innen in hohem Maße frei verhandelbar. Bei Frontal21 schnitten Männer dabei besser ab als die Klägerin und andere Frauen.

Auch Gleichstellungsberichte des ZDF sowie der Umgang insbesondere des ehemaligen Frontal21-Redaktionsleiters mit weiblichen Redaktionsmitgliedern (dieser erklärte bspw. wiederholt auf Weihnachtsfeiern, dass Frauen im politischen Journalismus nicht zu suchen hätten) weisen auf eine allgemeine Benachteiligungskultur hin, die sich offenbar auch auf die Bezahlung von Frauen ausgewirkt hat.

Der Fall der ZDF-Reporterin ist kein Einzelfall. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verdienen Frauen für die gleiche Tätigkeit bei gleichem Umfang und gleicher Qualifikation durchschnittlich 6 % weniger als ihre männlichen Kollegen. In diesem Ergebnis sind Teilzeitarbeit, die Überrepräsentation von Frauen in niedriger bezahlten Branchen und ähnliche Faktoren bereits herausgerechnet – insgesamt verdienen Frauen in Deutschland sogar durchschnittlich 18 % weniger als Männer.

Betroffene fürchten Druck von Arbeitgeber und Kollegen

Viele Frauen können oder wollen nicht klagen, da sie keine Auskunft über die Gehälter ihrer männlichen Kollegen erhalten oder Repressionen von Seiten des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin oder von den Kollegen befürchten müssen. Dies erlebte auch die Klägerin.

Die Klägerin wurde zum 1. Juli 2020 auf Wunsch des ZDF nach 13 Jahren aus der Berliner Frontal21-Redaktion in eine Mainzer Abteilung versetzt. Ihre Position bei Frontal21 wurde mit einem männlichen Redakteur besetzt.

Schon nach Einreichen der Klage wurde sie von verschiedenen Stellen im Haus unter Druck gesetzt. Unter anderem wies das ZDF sie darauf hin, dass langjährige Arbeitsrechtstreitigkeiten häufig zu wechselseitigen Belastungen des Beschäftigungsverhältnisses führen können. Wenig später sprach die Redaktionsleiterin von „Krieg“ in der Redaktion, sollten die Tätigkeitsvergleiche aus den Schriftsätzen öffentlich werden. Der Anwalt des ZDF legte der Klägerin in der ersten Verhandlung 2016 nahe, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Maßregelungen dieser Art verbietet das AGG.

Gerichte ignorieren Umkehr der Beweislast

Die Klage hat zwei rechtliche Ziele: Zunächst will die Klägerin Auskunft über die Vergütungen ihrer männlichen Kollegen erhalten, anschließend fordert sie auf Grundlage dieser Zahlen das ihr zustehende Honorar für die Vergangenheit ein (sogenannte Stufenklage).

Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab, hat dabei aber schon die tatsächlichen Gegebenheiten des Falles im großen Maße verkannt oder missachtet. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg wies die Berufung mit Urteil vom 5. Februar 2019 zurück. Zwar nahm es zu Gunsten der Klägerin an, dass ihre männlichen Kollegen eine gleiche oder vergleichbare Tätigkeit ausübten und dass sie sich auch mit Kollegen aus anderen Tarifverträgen vergleichen könne. Darüber hinaus hätte die Klägerin nach Ansicht des Gerichts aber auch nachweisen müssen, dass die Entgeltunterschiede auf ihrem Geschlecht beruhen.

Das ZDF brachte vor Gericht mehrfach neue, zum Teil widersprüchliche Erklärungen für die schlechtere Bezahlung der Klägerin vor: Mal sollten Berufserfahrung, Betriebszugehörigkeit oder ein Studienabschluss in Journalismus die höheren Vergütungen rechtfertigen, mal hieß es, die Honorare wären weitgehend frei verhandelbar gewesen. Ein solches Nachschieben von Gründen bestärkt den Verdacht, dass man sich beim ZDF selbst nicht klar ist, nach welchen Kriterien Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vergütet werden, und damit ein Einfallstor für Diskriminierungen schaffte.

Vor allem aber hat das LAG die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Entgeltgleichheit verkannt. Danach kehrt sich die Beweislast bereits um, wenn mindestens ein Mann bei vergleichbarer Tätigkeit mehr verdient – es ist dann am Arbeitgeber, sich vom Verdacht der Diskriminierung zu entlasten. Der EuGH trägt damit der Tatsache Rechnung, dass es für die betroffene Arbeitnehmerin kaum jemals möglich sein wird, ihrem Arbeitgeber nachzuweisen, dass die Lohnunterschiede am Geschlecht liegen. Diese Argumentation der Klägerin hat inzwischen auch das Bundesarbeitsgericht in einem ähnlichen Fall bestätigt.

Grundsatzurteil zur Entgelttransparenz

Zusätzlich hatte die Klägerin vor dem LAG Berlin-Brandenburg auch vom ZDF Auskunft über den Median der Gehälter der vergleichbaren Kollegen verlangt. Dieser Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz konnte erstmals 2018 geltend gemacht werden. Die Auskunft wurde ihr jedoch vom ZDF und vom LAG Berlin-Brandenburg verweigert, da sie als fest-freie Mitarbeiter*in vom Entgelttransparenzgesetz nicht erfasst sei. Die Klägerin ging dagegen in Revision.

Das Bundesarbeitsgericht stellte im Juni 2020 in einem Grundsatzurteil klar, dass auch arbeitnehmerähnlich Beschäftigte Auskünfte über männliche Vergleichsgehälter nach dem Entgelttransparenzgesetz verlangen können. Und nebenbei kritisiert das Bundesarbeitsgericht die jahrelangen Versäumnisse der Bundesregierung bei der Umsetzung der europäischen Vorgaben zur Entgeltgleichheit.

Das ZDF bestätigte der Klägerin daraufhin schließlich ihre Recherchen: Ihr Gehalt lag 2017 tatsächlich um über 800 Euro unter dem Median ihrer Kollegen, die die gleiche Arbeit machten wie sie.

Entgeltgleichheit auch vor Gericht verwirklichen

Die GFF setzt sich für die Grund- und Menschenrechte ein, ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Diskriminierungsschutz. Die Lohngerechtigkeit ist ein wichtiges Feld, in dem Gleichheit nach wie vor nicht ausreichend umgesetzt ist. Damit das Recht auf Lohngleichheit nicht nur auf dem Papier steht, unterstützt die GFF dieses Verfahren. Die Klägerin ist anwaltlich vertreten, die GFF berät und unterstützt sie bei der strategischen Prozessführung.

Ansprechpartnerin für Presseanfragen:

Nina Tesenfitz
Tel. 0170 5763663

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