Es gibt wahrscheinlich keine Körperstelle, die ein Tattoo noch offensiver präsentiert als das Gesicht. Hier sollte eine Tätowierung wirklich gut überlegt sein.
Tätowierungen im Gesicht und auf dem Kopf gehören zu den seltenen, ungewöhnlichen und sowohl technisch als auch gesellschaftlich schwierigen Tattoos. Gesichts- und Kopftattoos sind definitiv nichts für Einsteiger, sondern sollte alten Tattoo-Hasen vorbehalten bleiben. Verantwortungsbewußte Tätowierer lehnen bei Tattoo-Anfängern die Motivwünsche für Gesicht oder Hände in der Regel ab. Der Grund: Ein Tattoo im Gesicht oder auf dem Kopf „kann“ für den Träger im schlimmsten Fall berufliche oder anderweitige Konsequenzen nach sich ziehen.
Noch immer ist die Toleranz gegenüber Körperkunst nicht zu 100 Prozent in unserer Gesellschaft angekommen, denn viele Tattoo-Gegner tun sich schwer mit den sogenannten Job-Stoppern, also Tätowierungen, denen nachgesagt werden, dass sie einen möglichen Job des Trägers verhindern. Gemeint sind hierbei hauptsächlich die Hände, der Hals und natürlich auch das Gesicht.
Bei Kunden, die schon großflächig zugehackt sind und sich bereits seit Jahren mit Tattoos beschäftigen, bei denen läßt auch der Tattoo-Profi mit sich reden, wenn es um diese optisch relativ offensiven Tattoos geht. Die meisten Tätowierer hingegen raten einem Neuling von einer auffälligen Gesichtstätowierung ab, da sich viele Tattoo-Einsteiger über mögliche Konsequenzen einfach nicht eingehend informiert haben, oder diese auch wirklich verstanden haben. Die hier gezeigten Gesichtstattoos sind in der Regel auf Tattoo-Fans gestochen worden, die schon jede Menge Tattoos und auch Erfahrung gesammelt haben.
Jordanien | Insights
Die Gesichtstattoos der jordanischen Beduininnen
Geschrieben von
Laura Preissert
29.11.2017
Obwohl Tattoos in Jordanien heutzutage fast überall untersagt sind tragen die Frauen der Beduinenstämme sie voller Stolz mitten im Gesicht. Doch was bedeutet dieses Statement und wofür stehen die Symbole unter der Haut?
Eine verschwindende Kunst
Seit 1930 wurde die Kunst immer weniger verbreitet und heutzutage sieht man in Jordanien und dem Nahen Osten nur noch selten ein tätowiertes Frauengesicht. Außerhalb der Großstädte, in den weiter abgelegenen Orten im Norden und Süden, ist die Stammeskultur noch viel stärker verankert. Hier finden sich noch einige ältere Frauen die die faszinierenden Symbole erhobenen Hauptes präsentieren. Eine Erinnerung an die spannende Geschichte einer fast vergessenen Kultur.
Warum im Gesicht?
Obwohl sich die Frauen am ganzen Körper, an Handgelenken, Knöcheln, Brust und Beinen selbst tätowieren sind die ausdrucksvollsten Zeichnungen, die im Gesicht. Für die Öffentlichkeit sichtbar werden Sie an ganz bestimmten Stellen angebracht. Punkte oder Symbole über oder zwischen den Augenbrauen, Punkte auf der Nase, Schönheitsflecken auf den Wangen und Linien und Symbole unter den Lippen und auf dem Kinn.
Die jordanischen Stämme reisen mit Kamelen
Gesundheit und Schutz
Die Tattoos sollen traditionellerweise die Trägerin in Kämpfen und Kriegen beschützen und als Abwehr gegen teuflische Geister und den bösen Blick. An manchen Stellen haben die Zeichen medizinische Bedeutung: Viele glauben, dass die Kombination aus Punkten auf der Seite des Kopfes und oberhalb der Augen Schmerzen lindert und Krankheiten verhindert.
Inbegriff der Schönheit
Die großen Dichter der prä-islamischen Ära nutzten Tattoos in ihren Dichtungen als ein Symbol der unendlichen Schönheit. Im Mu’allaqāt, einer Sammlung sieben langer Gedichte aus der prä-islamischen Welt, werden Tattoos und tätowierte Frauen immer wieder in Verbindung mit Schönheit gebracht. In einem Gedicht vergleicht der Poet Zuhair bin Abi Alma das Land seiner Geliebten mit einer in allen Farben und Formen tätowierten Hand. Auch die Folkloregesänge preisen Frauen mit tätowierten Gesichtern als Inbegriff der Schönheit.
Das Gold des armen Mannes
Oft auch bekannt als „Schmuck des armen Mannes“ wurden Tattoos zur Zier von Körper und Gesicht verwendet und waren eine erschwinglichere Alternative zu Gold und Silber. Die Position der Tattoos komplimentierte die schönsten Bereiche des Gesichtes: die Lippen und die Augen.
Verschiedene Tattoonadeln
Spiritualität
Der Islam hatte einen starken Einfluss auf die Tattoo-Kunst. Muslimische Beduininnen tätowierten sich oft mit Halbmonden, Sternen und anderen Symbolen der islamischen Kunst. Christliche Beduininnen hingegen verzierten sich mit Kreuzen in Erinnerung an Jesus Christus.
Identität und Zugehörigkeit
Die Tattoos zeigen auch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamm oder einer Familie. Damit spielen sie eine wichtige Rolle in der Gemeinschaft. Leider haben sich die Stämme der Beduinen in die größeren Städte zerstreut und diese Traditionen haben an Bedeutung verloren.
Ein Esel vor der Wüstenstadt Petra
Der Prozess des Tätowierens
Der interessanteste Aspekt des Tätowierens in der Beduinenkultur ist der Prozess selbst. Der Tätowierer ist meist ein Nomade, der von Stamm zu Stamm reist um die Frauen zu tätowieren. Im Austausch gegen Geld, Getreide, Butter oder Milch wird das Tattoo mit Nadeln und chinesischer schwarzer Tinte für immer unter die Haut gebracht. Die Kundin bleibt dabei meist anonym. Die mysteriöse Natur dieses Zusammentreffens macht es noch bedeutungsvoller.