Was tun wenn man auf Toilette muss aber gerade nicht kann?

Schüchterne Blase (Paruresis)

Zuletzt aktualisiert am 14. Oktober 2020

Manchen Menschen fällt es schwer, an öffentlichen Toiletten Wasser zu lassen. Die Paruresis ist zumeist auf soziale Ängste des Betroffenen zurückzuführen.

Selbst bei starkem Harndrang haben Menschen mit Paruresis Probleme dabei, an öffentlichen Toiletten oder in der Nähe anderer Menschen zu urinieren. Im Volksmund wird das Phänomen auch als schüchterne Blase bezeichnet und zählt zu den sozialen Angststörungen. Das Syndrom, das in erster Linie Männer trifft, kann je nach Schweregrad das Urinieren "in der Öffentlichkeit" unmöglich machen.

Bei Betroffenen setzt meist ein von außen betrachtet irrationales Nachdenken ein. Es entstehen etwa Sorgen, dass andere Menschen das Urinieren hören und darauf aufbauend bewerten könnten. Im Weltbild eines Paruresis-Betroffenen gibt es, überspitzt formuliert, unter Männern einen unausgesprochenen Machtkampf, in dem man sich durch möglichst langes Urinieren behaupten muss.

Das mag für einen Außenstehenden absurd anmuten, ist aber auf psychischer Ebene durchaus nachvollziehbar. Bei vielen Betroffenen hat sich ein erstes schlechtes Erlebnis so tief ins Unterbewusstsein eingebrannt, dass eine Behebung des Problems schwierig sein kann. Ein kurzer Reflexionsprozess reicht hier meist nicht aus, zudem es oftmals tiefer liegende psychische Ängste gibt, die zu der Situation beitragen.

Vielen ist die Symptomatik äußerst unangenehm, weshalb sie in den meisten Fällen verschwiegen und nie professionell aufgearbeitet wird. Einem Großteil der Betroffenen ist selbst gar nicht bewusst, das sie an einer Paruresis leiden. Ist die (Selbst-)Diagnose erstmal gestellt, gibt es zwei wesentliche Ansätze, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Routine bzw. Mantra kreieren

Um das Urinieren trotz unmittelbarer Anwesenheit anderer Menschen wieder leichter zu machen, kann man es zunächst mit dem Aneignen einer Urinier-Routine versuchen. Dazu eignen sich etwa kurze Sätze, die sich der Betroffene beim Klobesuch in den eigenen vier Wänden immer wieder in Gedanken vorspricht. Das so entwickelte, positiv besetzte Mantra kann dann beim Nutzen einer öffentlichen Toilette wieder abgerufen werden. Bei einer sehr leichten Paruresis könnte es auch schon helfen, an fließendes Wasser zu denken.

Tiefgehende Aufarbeitung

In den meisten Fällen braucht es aber etwas aufwendigere Maßnahmen, um die schüchterne Blase in den Griff zu bekommen. Zunächst bedarf es dem gar nicht so leichten Eingeständnis, ein Problem zu haben. Auf Basis dieser Erkenntnis sollte es möglich sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Rahmen einer Psychotherapie können die bestehenden Ängste im Allgemeinen besprochen werden, ehe es im Detail um die Behebung der Paruresis geht.

Natürlich gibt es auch den Ausweg, das Syndrom einfach hinzunehmen. Solange es zu keiner Extremsituation kommt – viele Stunden starker Harndrang ohne Möglichkeit zu urinieren – sind körperliche Folgeerscheinungen so gut wie ausgeschlossen. Beim Beheben der schüchternen Blase tiefer liegende psychische Probleme aufzuarbeiten, kann aber in mehrfacher Hinsicht die Lebensqualität erhöhen.

Autor:in: Zuletzt aktualisiert:

14. Oktober 2020

Erstellt am:

24. August 2017

Quellen:

International Paruresis Association (14.10.2020)

Menschen mit einer überaktiven oder schwachen Blase sind oft durch einen vermehrten Harndrang gezwungen, sofort die Toilette aufzusuchen oder verlieren tröpfchenweise Urin, bevor sie die Toilette erreicht haben. Ein Blasentraining – auch Urotherapie genannt – kann dann helfen, zumindest teilweise die Kontrolle über ihre Blase wiederzuerlangen.

Die Blase kann durch ein Training lernen, sich stärker zu dehnen und mehr Harn zu speichern. Zu einem Blasentraining gehören auch verschiedene verhaltenstherapeutische Ansätze sowie ein konkreter Trink- und Toilettenplan.

Grundlage für ein Blasentraining ist ein Tagebuch. In einem solchen Tagebuch kann man aufschreiben

  • wie häufig man zur Toilette geht,
  • wie viel Urin abgeht und
  • wie viel Flüssigkeit man über den Tag verteilt trinkt.

Auch Angaben zu Medikamenten und zu Situationen, in denen unbeabsichtigt Harn verloren wurde, sind wichtig. Die Aufzeichnungen können bei einem Gespräch mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt helfen und wichtige Hinweise darauf liefern, welche Ursache hinter den Beschwerden stecken.

  • Regelmäßiger Rhythmus: Um die Blase an einen Rhythmus zu gewöhnen, ist es wichtig, regelmäßig in einem festen Zeitabstand zur Toilette zu gehen. Dabei kann ein Toilettenplan hilfreich sein. Oft wird im Rahmen eines Blasentrainingsprogramms empfohlen, nach der morgendlichen Entleerung direkt nach dem Aufstehen und gegebenenfalls noch einmal nach dem Frühstück die Abstände zwischen den Toilettengängen möglichst gleichmäßig einzurichten.
  • Vorbeugende Toilettengänge vermeiden: Wer vorbeugend in zu kurzen Abständen auf die Toilette geht, könnte die Beschwerden einer überaktiven Blase eventuell verschlimmern. Die Blase kann durch dieses Verhalten regelrecht darauf „trainiert“ werden, schon bei einer geringen Füllung Harndrang anzumelden.
  • Nicht sofort Wasser lassen: Auch wenn der Harndrang sehr stark ist, hält er meist nur einige Minuten an, dann beruhigt sich die Blase wieder. Die Blase nicht sofort zu entleeren, wenn sie sich meldet, kann man üben. Auch ruhig und langsam zur Toilette zu gehen – und nicht zu laufen – kann hilfreich sein.
  • Die Zeit zwischen den Toilettengängen ausdehnen: Es kann hilfreich sein zu versuchen, die Abstände zwischen den Toilettengängen auszudehnen, dies aber langsam und ohne Stress. Auch dabei kann ein Toilettenplan helfen. Dort kann man beispielsweise festhalten, dass man in den ersten Tagen versuchen will, 5 Minuten auszuhalten, bevor man auf die Toilette geht und diesen Rhythmus etwa eine halbe Woche lang beibehalten. Später kann der Zeitraum von den 5 Minuten dann auf 10, 15 und schließlich 20 Minuten ausgedehnt werden, in denen man es schafft, den Harndrang auszuhalten.

Das Training auch nachts anzuwenden, kostet viel Energie. Tagsüber lassen sich eher Erfolge verzeichnen. Mit der Zeit kann das Training auf die Nacht ausgeweitet werden.

Wenn man versucht, nicht sofort dem Harndrang nachzugeben und die Zeit zwischen den Toilettengängen zu verlängern, sind einige Techniken hilfreich, mit denen man sich ablenken kann:

  • Wenn sich die Blase meldet, hilft es, sich zu entspannen und sich mit positiven Vorstellungen abzulenken. Sie kann man sich etwa in Gedanken etwas vorsagen, beispielsweise: „In 5 Minuten werde ich auf die Toilette gehen, bis dahin werde ich an etwas Anderes denken“.
  • Hilfreich kann es sein, sich auf einen Stuhl zu setzen und den Oberkörper aus der Hüfte nach vorne zu beugen, als ob man die Schnürsenkel binden möchte. Diese Stellung hält man so lange aus, bis der Drang nachlässt. Durch die vornüber gebeugte Haltung ändern sich die Druckverhältnisse im Bauchraum und die Harnröhre kippt ab, so dass der Harndrang nachlässt.
  • Es hilft auch im Sitzen mit geradem Rücken den Beckenboden anzuspannen und nach innen hoch zu ziehen.

Viele Menschen mit einer schwachen Blase trinken zu wenig, weil sie Angst haben, die Toilette nicht mehr rechtzeitig zu erreichen. Aber Regelmäßigkeit hilft nicht nur bei der Entleerung, sondern auch beim Füllen der Blase. Daher wird beim Blasentraining ein Toilettenplan mit einem Trinkplan kombiniert, in dem festgehalten wird, wann man wie viel trinkt. Als hilfreich hat sich in vielen Fällen ein Timer herausgestellt, der durch ein akustisches Signal an die vereinbarten Zeiten erinnert.

  • Ausreichend Flüssigkeit ist aus einem anderen Grund noch wichtig: Ist der Wassergehalt des Urins zu gering, können die stark konzentrierten Bestandteile des Urins die Blasenschleimhaut angreifen. Dadurch wird diese auf Dauer gereizt und die Beschwerden können sich verschlimmern.
  • Trinken Sie zu oder vor jeder Mahlzeit. Es ist empfehlenswert, vor jeder Mahlzeit 1 bis 2 Gläser Wasser ohne Kohlensäure zu trinken. Dazwischen sind Säfte, tagsüber in geringen Mengen auch Kaffee und schwarzen Tee, möglich.
  • Um die Nachtruhe so wenig wie möglich zu stören, kann es helfen, ab etwa zwei Stunden vor dem Schlafengehen weniger oder gar nichts mehr zu trinken.
  • Kaffee, schwarzer oder grüner Tee und alkoholische Getränke wirken harntreibend. Aber auch Nieren- und Blasentees oder Brennnessel-Tee verstärken die Urinbildung. Direkt vor dem Schlafengehen ist es hilfreich, diese Getränke komplett zu meiden.
  • Auch vor sozialen Aktivitäten, bei denen man viel unterwegs ist, kann es hilfreich sein, auf harntreibende Getränke zu verzichten.

  • Auch bei Rückschlägen sollte man versuchen weiter Buch zu führen, denn nur so können Erfolge erfasst werden und man hat einen Überblick über mögliche Rückschläge.
  • Auch ist es gut zu wissen, dass Rückschläge ganz normal sind. Gerade in Zeiten großer Erschöpfung oder bei seelischem Stress kann dies passieren.
  • Auch eine Harnwegsentzündung, eine Erkältung oder nasses, windiges Wetter können der Grund sein.

Ein Blasentraining eignet sich nicht für alle Formen der Blasenschwäche. Es ist daher gut, wenn man individuell mit dem Arzt oder der Ärztin bespricht, ob ein solches Training für einen persönlich sinnvoll sein kann.

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Pschyrembel W. Klinisches Wörterbuch. Berlin: De Gruyter; 2014.

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Was macht man wenn man aufs Klo muss aber nicht kann?

Um die Nachtruhe so wenig wie möglich zu stören, kann es helfen, ab etwa zwei Stunden vor dem Schlafengehen weniger oder gar nichts mehr zu trinken. Kaffee, schwarzer oder grüner Tee und alkoholische Getränke wirken harntreibend. Aber auch Nieren- und Blasentees oder Brennnessel-Tee verstärken die Urinbildung.

Wie lange schafft man es nicht aufs Klo zu gehen?

Bis zu sechs Stunden lässt sich die Blase offenbar unter Kontrolle halten, aber ist das empfehlenswert? Dr. Brucker gibt Entwarnung: Solange man es nicht zur Gewohnheit macht, den Toilettengang zu meiden, sollte es dem Körper nicht schaden, Urin eine Weile zurückzuhalten.

Warum kann ich nicht auf die Toilette?

Häufig sind Gründe dafür zu wenig Bewegung, Stress, eine ballaststoffarme Ernährung und zu wenig Flüssigkeit. Mit einer ausgewogenen Ernährung, Sport und Entspannung bekommen die meisten Ihre Verdauung wieder in Schwung. Bei manchen sind jedoch auch Medikamente oder andere Gründe schuld am trägen Darm.

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