Was wurde aus den kindern vom bahnhof zoo

Von

Als 1978 das Buch von Christiane F. erschien, las es sich wie ein Tatsachen-Report aus einer fremden Welt. Doch diese Welt lag mitten in West-Berlin und lauerte mit der Todesdroge Heroin auf die eigenen Kinder.

Die 15-jährige Christiane sprach damals ihre Geschichte auf Tonbänder. Einer der Buchautoren, Horst Rieck, erinnerte sich: „Sie erzählte überwiegend druckreif, ihre Bilder standen im Raum.“ Der Film von 1981 orientierte sich streng am Buch, musste den Stoff jedoch für 131 Kinominuten straffen.

Die neue Amazon-Prime-Produktion orientiert sich ebenfalls an der wahren Geschichte der Christiane Felscherinow (heute 58). Aber in über sechs Stunden erzählen acht TV-Folgen wesentlich mehr.

Sie widmen sich auch den Freunden von Christiane, ihren Familien und Schicksalen. Dazu wurden einige Figuren erfunden und die Erlebnisse der sechs Hauptfiguren ausgemalt. Die neue Serie ist also keine historisch akkurate Darstellung – und will es auch nicht sein.

Was ist wahr, was ist Fiktion? Was unterscheidet die neue Serie vom Buch und vom Film von 1981. B.Z. erklärt es.

Stichwort Drehorte.

Gedreht wurden die neuen Kinder vom Bahnhof Zoo von Juli 2019 bis Februar 2020 hauptsächlich in Prag, aber auch in Berlin und Umgebung. Außenaufnahmen vor dem heutigen Bahnhof Zoo wurden am Computer bearbeitet, um 50 Jahre älter zu wirken. Das Innere des Bahnhofs wurde in einem Prager Industriekomplex als Kulisse nachgebaut.

Um die Atmosphäre der 70er Jahre nachzustellen, wurde der Bahnhof Zoo in Prag nachgebaut. (Foto: picture alliance / Constantin Te)

Die legendäre Diskothek „Sound“ wurde völlig frei neu gestaltet. Der neue Club hat eine riesige Deckenhöhe, ein echter Tanztempel. Das Original war stickig und niedrig, lag im Kellergeschoss. Das Bowie-Konzert konnte nicht mehr in der Deutschlandhalle gefilmt werden, denn sie wurde 2011 abgerissen. Das Plakat hängt dafür am ICC, das erst 1979 (drei Jahre nach dem Konzert 1976) eröffnet wurde und heute leer steht.

Stichwort Zeit.

Christianes Geschichte spielt hauptsächlich in den Jahren 1975 bis 1977. Aber wann spielt die neue Serie? Produzent Oliver Berben: „Was der Zuschauer sieht, lässt sich keinem Jahrzehnt eindeutig zuordnen. Elemente der 70er-und 80er-Jahre sind genauso vorhanden wie Elemente der Gegenwart. Wir haben eine eigene Zeit geschaffen, um den zeitlosen Aspekt der Geschichte und die große Aktualität hervorzuheben.“

Stichwort Requisiten.

Man sieht keine Handys in der neuen Serie. Autorin Annette Hess: „Was die Geschichte so besonders macht, ist, dass die Jugendlichen damals ganz anders kommuniziert haben, weil es keine Handys gab. Sie mussten sich immer suchen.“ Dafür sind die Nadeln, mit denen Heroin gespritzt wird, moderne Spritzen. Die Klamotten, die getragen werden, sind an die 70er-Mode angelehnt, aber modern interpretiert.

Die Serien-Kinder tragen modernisierte 70er-Mode (Foto: Amazon Prime Video / Constantin)

Stichwort Story.

Die Lebensgeschichte von Christiane folgt weitgehend der echten Biografie. Die Eltern trennten sich tatsächlich nach einem Gewaltausbruch des Vaters, der dann nach Thailand auswanderte. Die Mutter hatte wirklich mal ein Verhältnis mit dem Chef und besorgte Bowie-Tickets. Babsi stammte tatsächlich aus gutem Hause, war die Tochter eines Pianisten. Stella wurde im Knast von RAF-Mitgliedern angesprochen.

Es gab auch den Stammfreier, der sich prügeln ließ („Stotter-Max“) und einen Pädophilen, der Kinder gegen Sex bei sich wohnen ließ und mit Drogen versorgte. In der Serie ist es der Tierhändler Günther, im echten Leben war es ein Schreibwarenhändler namens Heinz.

Stichwort Personen.

Christianes Heroin-Freund heißt in der Serie nicht Detlef, sondern Benno. Auch die Vornamen von Christianes Eltern wurden aus Persönlichkeitsrechtsgründen zu Karin und Robert verändert. In Wirklichkeit hat Christiane eine kleine Schwester Anette, in der Neuverfilmung ist sie Einzelkind, aber Stella hat eine jüngere Schwester.

Christianes echte Schulfreundin Kessi kommt nicht vor. Sie ist jedoch mit Stella (die eigentlich Catherine hieß), zu einer Rolle verschmolzen. Andreas „Atze“ und Lufo aus ihrer Sound-Clique (beide starben an einer Überdosis) wurden zu Axel und Michi. Die echten Kinder vom Bahnhof Zoo sprachen Berlinisch, in der Serie eher Hochdeutsch.

Stichwort Schauspieler.

Im ersten Film setzten Produzent Bernd Eichinger und Regisseur Uli Edel 1981 auf unbekannte Schauspieler und Laiendarsteller. Die neue Produktion lässt nur Profis ran. Ur-Christiane Natja Brunckhorst (heute 56) war beim Dreh gerade 13 Jahre alt. Jana McKinnon, Jahrgang 1999, war 20 Jahre als sie die neue Christiane spielte.

Was ist aus Stella geworden?

Heute ist die 52-Jährige eine erfolgreiche Drehbuchautorin. 2001 bekam sie für das Skript zu der DDR-Punkgeschichte "Wie Feuer und Flamme" den Deutschen Filmpreis. Bei der diesjährigen Lola-Vergabe wurde das ebenfalls von ihr geschriebene Drama "Amelie rennt" als bester Kinderfilm ausgezeichnet.

Warum ist Babsi gestorben?

Nachdem Christiane in der Zeitung liest, dass ihre beste Freundin Babsi, die einen Entzug machen wollte, im Alter von 14 Jahren an ihrer Drogensucht gestorben ist, ist sie entsetzt und beschließt, sich ebenfalls den „Goldenen Schuss“ zu setzen.

Ist Christiane F heute clean 2022?

Zwischen 1987 und 1993 lebt Christiane in Griechenland. 1996 wird ihr Sohn Philipp geboren, Christiane wohnt mit ihm in Teltow und in Berlin. Über ihren Drogen-Status gibt es keinen einheitlichen Konsens. Eine Zeitlang gilt sie als clean, dann scheint es Rückfälle zu geben.

Was wurde aus Detlef dem Freund von Christiane F?

Während Christiane noch bis 2005 gegen ihre Sucht kämpfte, soll Detlef R. schon länger clean sein und in Berlin als Busfahrer arbeiten.

Toplist

Neuester Beitrag

Stichworte