Wenn Sneakers von Stromleitungen herunterhängen: Was hat das „Shoe Tossing“ mit dem Schlaraffenland und mit Märchengeschichten zu tun? „Shoe Tossing“ nennt man das Phänomen der im Baum, in den USA auch an oberirdischen Stromleitungen hängenden Schuhe, vorzugsweise kaputte Sneakers. Der Brauch zitiert das Schlaraffenland, in dem laut dem Reisebericht „Mecki im Schlaraffenland“ von 1952 neben den
Bäumen mit gebratenen Hühnchen auch Wälder stehen, in deren Ästen Kleidung, Spielzeug und Instrumente hängen. Die faulen Schlaraffen leben (laut einer weiteren Quelle, Kästners „Der 35. Mai“) in Wohnwägen und nehmen Tabletten mit dem Geschmack von Hühnchen mit Kartoffelbrei oder Eisbein mit Sauerkraut, um das anstrengende Kauen zu vermeiden. Folgerichtig vermeiden sie auch das anstrengende Einkaufen und pflücken sich lieber Schuhe vom Baum. Ebenfalls besteht beim „Shoe Tossing“ eine Verbindung zum Märchen „Aschenputtel“ von den Brüdern Grimm, in dem das Aschenputtel sich vor den Haselbaum stellt, unter dem ihre Mutter begraben liegt, und ihn bittet: „Bäumchen rüttel dich, Bäumchen schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich.“ „Bäumchen“ wirft sogleich ein goldenes und silbernes Kleid und ein Paar bestickte Schuhe herunter, mit denen das zerlumpte Mädchen angemessen gekleidet
am Ball des Prinzen teilnehmen kann. In der US-Version des Märchens „Cinderella“ trägt die Namensgeberin „gläserne Pantoffeln“ (eigentlich Pumps, in Pantoffeln tanzen nur Emire oder das Ekel Alfred), die aus naheliegenden Gründen nicht direkt vom Baum auf der gefliesten Terrasse von Cinderellas Haus landen dürfen. Eine weitere Erklärung für das „Shoe Tossing“ in der Version der am Querpfosten einer Ampel hängenden Schuhe ist, dass nachts auf der Straße ein kleines
Auto auf Grün wartet, in dem sich eine Frau mit schlechtem Kleidungs- und Musikgeschmack befindet, die gerade das Lied „You can leave your hat on“ von Joe Cocker hört. Dieses Lied weckt das Verlangen in ihr, sich sofort auszuziehen. Bei der zweiten Zeile „Baby take of your shoes“ entledigt sie sich also ihrer abgetretenen Sneakers, und weil der Wagen wenig Platz für ihre Kleidung bietet, wirft sie sie kurzerhand aus dem Fenster in den Himmel.
Die Frau hat eine exzellente Wurfhand (sie bekam früher in der High School dafür Ehren- und nicht nur Siegerurkunden), darum landen die Schuhe auf der Querstange der Hängeampel, und die Frau fährt nur mit Hut bekleidet weiter. (Etwas später bildet sie den Anlass für den Song „Die Frau, die nichts anhat als den Gurt“ von Truck Stop, der eigentlich „Die Frau, die nichts anhat als den Hut“ heißen sollte, aber das war dem Texter Holger Grabowsky zu prüde).
Der Bürgermeister von Los Angeles behauptet, dass das „Shoe Dangling“ (mit zusammengeknoteten Schnürsenkeln) in seiner Stadt auf einen Ort hinweist, an dem Drogen gehandelt werden. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass es dort laut aktuellen US-Serien eh keine Ecken gibt, an denen nicht mit Drogen gehandelt wird. Der Bürgermeister will also nur vorausschauend sein.
Die Wahrheit auf taz.de
.
- Hersfelder Zeitung
- Magazin
- Digital
Erstellt: 30.05.2011, 14:42 Uhr
KommentareTeilen
Sie hängen von Bäumen, Brücken, Ampeln, Stromkabeln. In vielen Städten wurden sie schon an unmöglichen Orten gesichtet: Schuhe! Doch wer hängt sie dahin? Und warum?
Sie hängen von Bäumen, Brücken, Ampeln, Stromkabeln. In vielen Städten wurden sie schon an unmöglichen Orten gesichtet: Schuhe! Doch wer hängt sie dahin? Und warum?
Eine sichere Antwort gibt es nicht, aber eine Menge Vermutungen.
In Berlin baumeln einige alte Treter zum Beispiel an einem Kabel, das mehrere Meter über dem Gehweg gespannt ist. Berichte über Schuhe an Strommasten, Ampeln, Laternen, Brücken oder Bäumen kommen aber auch aus Kanada und Argentinien, aus Großbritannien, Österreich oder Neuseeland. Bei uns kann man sie auch in Leipzig, Hamburg, Köln oder München entdecken.
Wollten Schüler und Studenten damit zeigen, dass sie ihren Abschluss geschafft haben? Wollen Drogenhändler mit den Schuhen ihre Gebiete markieren?
Eine andere Geschichte geht so: Ein Liebespaar stritt sich in den USA auf dem Weg zur Hochzeit. Der Bräutigam schmiss wütend die Schuhe seiner Verlobten auf einen Ast. Weil sie es nicht schafften, die Schuhe wieder herunterzuholen, redeten die beiden - und vertrugen sich wieder. Viele andere Reisende haben danach Schuhe in die Äste dieses Baumes geworfen.
Wenn ihr sehen wollt, wo sonst noch überall Schuhe baumeln, dann schaut doch mal auf die Seiten von www.shoefiti.com. Manche nennen das Phänomen übrigens «shoefiti» - wie Graffiti. Auch diese bunten Sprühbilder findet man an allen möglichen unmöglichen Orten.
Blog
Schuh-Orte