Wie oft darf man Ibuprofen in der Schwangerschaft nehmen?

Es gibt keine Beweise, dass es sich so zugetragen hat. Aber es könnte sich so zugetragen haben. Tausendfach, zehntausendfach vielleicht, allein in Deutschland.

Angenommen also, eine junge Frau wacht eines Morgens mit Kopfschmerzen auf, der Nacken ist verspannt, alles tut weh. Sie kann nicht zu Hause bleiben, muss an diesem Tag unbedingt zur Arbeit, muss funktionieren.

Die Frau ist schwanger, gerade erst, man sieht noch nichts. Darf sie ein Schmerzmittel schlucken, am besten Ibuprofen, den Wirkstoff, der ihr immer so gut hilft?

Im Beipackzettel steht: "Wenden Sie sich an Ihren Arzt." Der würde wahrscheinlich sagen, was allgemein als Konsens unter Ärzten gilt: Natürlich sollte man in der Schwangerschaft Medikamente möglichst vermeiden. Aber Ibuprofen und Paracetamol sind altbewährte, gut untersuchte Mittel.

Wenn er dann, wie viele Ärzte, auf der von der Charité betriebenen und vom Bundesgesundheitsministerium und von der AOK geförderten Website embryotox.de weiter nachforschte, fände er dort die Information, es gebe "beim Menschen keine ernsthaften Hinweise" auf Fehlbildungen am Anfang der Schwangerschaft. Ab dem sechsten Monat könne Ibuprofen für das Kind zwar gefährlich werden, aber so weit ist es ja in diesem Fall noch nicht.

In den nächsten Tagen bekämpft die Frau deshalb morgens und abends ihre Pein mit einer weißen Tablette.

Der Schmerz verschwindet, bald ist er vergessen.

Sieben Monate später kommt ein gesundes Mädchen zur Welt. Es entwickelt sich prächtig, lernt laufen, sprechen, lesen, schreiben, rechnen, alles nach Plan, es macht Abitur, studiert, findet einen guten Job, heiratet. Als es Mitte dreißig ist, will das Kind dann selbst Kinder bekommen.

Aber es will und will nicht klappen. Der Arzt stellt fest: In den Eierstöcken der erwachsenen Tochter finden sich keine Eizellen mehr, die heranreifen und befruchtet werden könnten. Vor fünf oder zehn Jahren hätte sie noch Kinder kriegen können. Aber jetzt ist die sogenannte Follikelreserve, das Reservoir an Eizellen, das angelegt wurde, als die Frau selbst noch ein Embryo war, bereits aufgebraucht, früher als bei den meisten anderen Frauen.

Es ist nur ein Gedankenexperiment. Aber eines, das Forscher derzeit beschäftigt: Könnte es sein, dass die Unfruchtbarkeit der Tochter zusammenhängt mit dem Ibuprofen, das ihre Mutter vor über 35 Jahren in der Schwangerschaft genommen hat?

Ibuprofen ist das Lieblingsschmerzmittel der Deutschen unter den nicht verschreibungspflichtigen Substanzen, 51 Millionen Packungen wurden 2017 verkauft, 320 Millionen Euro Umsatz erzielten die Pharmaunternehmen damit, der Marktanteil von Ibuprofen hat sich in den vergangenen zehn Jahren beinahe verdoppelt.

Umfragen ergaben, dass bis zu 28 Prozent der Schwangeren Ibuprofen einnehmen, von den werdenden Müttern im ersten Drittel der Schwangerschaft sind es bis zu 24 Prozent. Paracetamol schlucken sogar bis zu 73 Prozent der Frauen, die ein Kind erwarten.

Und nun mehren sich die Hinweise darauf, dass Schmerzmittel in der frühen Schwangerschaft die spätere Fruchtbarkeit der Kinder mindern könnten, von Mädchen und Jungen. Im Verdacht stehen neben Ibuprofen auch Paracetamol, Acetylsalicylsäure und weitere chemisch verwandte Substanzen.

"Es gibt Gründe, sich Sorgen zu machen", sagt der Biologe David Kristensen vom Kopenhagener Universitätsklinikum, der sich seit vielen Jahren mit der Wirkung dieser Schmerzmittel beschäftigt. "Manche Befunde sind alarmierend."

In der angesehenen Fachzeitschrift "Human Reproduction" erschien Anfang Februar eine Studie von Forschern der Universität im bretonischen Rennes, an der auch Kristensen beteiligt war. Die Wissenschaftler hatten das Gewebe von Eierstöcken aus 185 abgetriebenen weiblichen Embryonen aus der siebten bis zwölften Schwangerschaftswoche Ibuprofen-Lösungen ausgesetzt. Das Ergebnis: Der Wirkstoff führte in einer Konzentration, wie sie nach Einnahme einer Tablette entstehen kann, zu einem "dramatischen Verlust an Keimzellen".

Der Schaden falle individuell sehr unterschiedlich aus, berichtet Séverine Mazaud-Guittot von der Universität Rennes, die Hauptautorin der Studie. Im schlimmsten Fall sei das embryonale Eierstockgewebe durch das massive Zellsterben "löchrig wie Klöppelspitze" geworden. Zwar habe sich das Gewebe teilweise wieder erholt, wenn man die Ibuprofen-Lösung entfernte, aber in etlichen Fällen bleibe doch ein dauerhafter Schaden.

Bei embryotox.de findet sich bislang unter dem Stichwort "Ibuprofen" kein Hinweis auf die aktuelle Untersuchung. Dort heißt es: "Ibuprofen gehört in den ersten zwei Dritteln der Schwangerschaft neben Paracetamol zu den Analgetika der Wahl."

Für Christof Schaefer vom Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, das die Website betreibt, ist die Untersuchung aus Rennes zwar ein "interessantes Signal". Es könne aber "wie alle experimentellen Studien nicht unbesehen auf den lebenden Menschen übertragen" werden. "Wir wollen die Frauen deshalb nicht unnötig in Panik versetzen", sagt Schaefer.

Das Problem dabei: Eine Studie, die beweisen könnte, dass Ibuprofen oder andere Schmerzmittel in der Schwangerschaft die Fruchtbarkeit des Nachwuchses beeinträchtigen, lässt sich schwer durchführen. Idealerweise müsste man Schwangere und ihre Kinder dafür bis zu 40 Jahre lang begleiten und immer wieder untersuchen - ein praktisch unmögliches Vorhaben.

"Frauen sollten zu Beginn der Schwangerschaft oder besser noch vorher über die möglichen Gefahren von Schmerzmitteln aufgeklärt werden, so wie über die Gefahren von Alkohol", fordert deshalb Mazaud-Guittot.

David Kristensen waren schon vor zehn Jahren Zweifel an der Unbedenklichkeit der Wirkstoffe gekommen. Damals rannte er, noch Doktorand, zu seinem Professor und zeigte ihm aufgeregt, was ihm aufgefallen war: Die chemischen Strukturen von Acetylsalicylsäure, aber auch von Paracetamol und Ibuprofen ähnelten in gewisser Weise denen von Phthalaten und Parabenen. Erstere stecken in Weichmachern, Letztere in Konservierungsstoffen, beide stehen im Verdacht, die männliche Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen.

Bald darauf konnten die beiden Forscher zeigen, dass Phthalate, Parabene und Schmerzmittel die gleichen hormonellen Kommunikationswege im Körper blockieren - unter anderem die des männlichen Sexualhormons Testosteron. "Der einzige Unterschied ist, dass die Dosis bei den Schmerzmitteln viel höher ist", sagt Kristensen.

Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass Ibuprofen auch die Fruchtbarkeit von Jungen beeinträchtigen könnte, zumindest dann, wenn die Mutter es innerhalb eines bestimmten Zeitfensters am Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels einnimmt. Das Mittel stört das hormonelle Gleichgewicht des embryonalen Hodens.

Selbst erwachsenen Männern kann Ibuprofen wohl noch schaden. Kristensen stellte fest, dass junge Männer, die sechs Wochen lang zweimal 600 Milligramm Ibuprofen pro Tag einnahmen, in einen Zustand des "kompensierten Hypogonadismus" hineinrutschen konnten - eine Störung der Hormonproduktion des Hodens, die sonst typischerweise ältere Männer ereilt.

Auch Paracetamol und Acetylsalicylsäure und wahrscheinlich noch weitere ähnliche Wirkstoffe bringen das Hormonsystem des embryonalen Hodens durcheinander, das zeigen Tierexperimente und Studien an menschlichem Gewebe.

Besonders beunruhigend: Wir nehmen offenbar permanent Paracetamol zu uns - ungewollt und unbemerkt gelangt das Zeug in den Körper, und zwar in einer Dosis, die einer fünftel Tablette pro Tag entsprechen kann. Forscher haben keine Erklärung für diese Dauerbelastung, sie vermuten aber, dass der Stoff via Trinkwasser den Verbraucher erreicht, aus anilinhaltigen Farbstoffen und Pflanzenschutzmitteln oder aus der Tiermast.

Kürzlich wurde in Rennes eine Studie zur Wirkung von Paracetamol auf die embryonalen Eierstöcke durchgeführt. Séverine Mazaud-Guittot darf die Ergebnisse noch nicht verraten, doch die Effekte scheinen zumindest etwas weniger drastisch zu sein als bei Ibuprofen.

Shanna Swan von der Mount Sinai School of Medicine beschäftigt sich seit den Neunzigerjahren mit der Frage, warum die Spermaqualität in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter abgenommen hat. Ob zu diesem Phänomen die Schmerzmittel wesentlich beitragen, vermag sie noch nicht zu sagen, doch sie hat sich in die Debatte eingeklinkt. "Wirklich kompliziert", sagt sie, "wird es bei der Frage, warum die Leute eigentlich so viele Schmerzmittel nehmen."

Tatsächlich haben sich Paracetamol und Ibuprofen zu Lifestyle-Medikamenten entwickelt, die von ehrgeizigen Hobbysportlern ebenso konsumiert werden wie von Menschen, die auf eine stimmungsaufhellende Wirkung hoffen. Und - von Schwangeren.

"Wir müssen junge Frauen dringend darüber aufklären, was sie alles gegen Schmerzen tun können, ohne Medikamente zu nehmen", sagt Hartmut Göbel, Neurologe und Chefarzt der Schmerzklinik Kiel. An die frische Luft zu gehen helfe bei leichteren Kopfschmerzen, auch regelmäßiger Sport. Und wenn es gar nicht mehr gehe, erklärt der Mediziner, solle man sich, bevor man eine Pille schlucke, erst einmal Ruhe und Entspannung gönnen - und sich dann eben doch mal krankschreiben lassen.

Was passiert wenn man Ibuprofen in der Schwangerschaft nimmt?

Ca. 30% der Schwangeren nehmen das Schmerzmittel Ibuprofen in den ersten 3 Schwangerschaftsmonaten ein. Ibuprofen wirkt über die Hemmung der Prostaglandinsynthese. Es ist seit längerem bekannt, dass dies die Schwangerschaft und/oder die embryo-fetale Entwicklung beeinträchtigen kann.

Wie oft Ibuprofen 400 in der Schwangerschaft?

Bei Selbstmedikation sollten täglich nicht mehr als 1.200 mg Ibuprofen eingenommen werden. Einzeldosen von bis zu 400 mg sind alle 8 Stunden möglich.

Bis wann darf man Ibuprofen in der Schwangerschaft nehmen?

Wie jede andere Schmerzmedikation auch, sollte es nicht unkritisch oder wochenlang eingenommen werden . Ibuprofen: Neben Paracetamol ist Ibuprofen ein geeignetes Schmerzmittel in der Schwangerschaft, das allerdings nur im ersten und zweiten Drittel (bis zur 28. Woche) genommen werden darf.

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