Wo wurde der Tatort die kalten und Die Toten gedreht?

Sonntagabend ist Tatort-Zeit. Dann gibt’s die Erstausstrahlung der Tatort-Filme auf ARD zu sehen. Die beliebte Krimireihe startete bereits in den 70ern und gilt mittlerweile als feste Institution im deutschen Fernsehen.

Der erste Tatort-Film „Taxi nach Leipzig” wurde am 29. November 1970 ausgestrahlt. 1981 war erstmals Götz George als Kommissar Schimanski im Duisburger Tatort zu sehen. Neben dem Verbrechen stehen auch immer ein brisantes gesellschaftliches Thema sowie das Lokalkolorit des jeweiligen Tatorts im Fokus.

 

Wo wurde der Tatort die kalten und Die Toten gedreht?
„Tatort”-Stadt Köln © Andrea David

 

Mittlerweile ist fast ganz Deutschland Schauplatz der mörderischen Fernsehunterhaltung. Berlin (Ritter/Stark), Hamburg (neu:Gümer/Tschiller) und München (Leitmayr/Batic) sind seit Beginn der Serie praktisch durchgehend als Handlungsorte etabliert. Weitere beliebte Tatort-Schauplätze sind Köln (Ballauf/Schenk), Leipzig (Keppler/Saalfeld), Ludwigshafen (Odenthal/Kopper), Münster (Thiel/Boerne), Hannover (Lindholm), Kiel (Borowski/Brandt), Konstanz (Blum/Perlmann) und früher Duisburg (Schimanski/Thanner).

Dazu kommen noch die Ermittlerteams aus Wien und Luzern. 2015 bekam die Tatort-Familie bayerischen Zuwachs durch das Ermittlerteam Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Voss (Fabian Hinrichs) in Franken, das Verbrechen in Nürnberg, Erlangen, Würzburg, Bayreuth, Fürth und Umgebung aufklärt.

 

Wo wurde der Tatort die kalten und Die Toten gedreht?
Elbphilharmonie, „Tatort”-Stadt Hamburg © Andrea David

 

2013 gab es den ersten Tatort in Erfurt mit Friedrich Mücke sowie eine Weihnachtsausgabe mit Nora Tschirner und Christian Ulmen in Weimar. 2015 startete  der erste fränkische Tatort mit Nürnberg als Sitz der Kommissare. Ermittelt und natürlich auch gedreht wird jedoch frankenweit. Nachdem Aus des Bodensee-Tatorts wird künftig auch der Schwarzwald Schauplatz des TV-Verbrechens.

 

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„Tatort”-Stadt Konstanz, Polizeipräsidium Konstanz © Otto Kettmann

 

Die jeweiligen regionalen Besonderheiten der Stadt oder Gegend, in der ermittelt wird, sind oftmals stark mit der Handlung verwoben. In Hamburg sind die St. Pauli-Landungsbrücken oder markante Gebäude der Hafen City, wie z.B. die Elbphilharmonie, als Tatorte beliebt. In Duisburg war es der Stadtteil Ruhrort.

Im Kölner Tatort ist regelmäßig der Kölner Dom als Hintergrund der Schlussszene zu sehen. Die Ermittler Max Ballauf und Freddy Schenk gönnen sich dort nach anstrengender Ermittlertätigkeit einen Snack an ihrer Lieblingsimbissbude, welche man außerhalb der Drehzeiten übrigens am Rheinauhafen Südkai findet.

Update 2020: Die Betreiber der Wurstbude hören aus Altersgründen auf und der 1954 gebaute Imbisswagen ist nun in das LVR-Freilichtmuseum in Kommern in der Eifel umgezogen. Bei Veranstaltungen soll laut Museumsleiter der Imbiss wieder in Betrieb genommen werden. Beim Tatort wird der Wagen 2021 noch ein letztes Mal in der Folge „Brennen sollst Du” zu sehen sein.

 

Wo wurde der Tatort die kalten und Die Toten gedreht?
„Tatort”-Stadt Köln
Wo wurde der Tatort die kalten und Die Toten gedreht?
Wurstbraterei, „Tatort”-Stadt Köln © Andrea David

 

Oftmals befinden sich die Tatort-Filmmotive auch außerhalb des Handlungsortes, wie zum Beispiel eine ehemalige Schule in Baden-Baden als Drehort für die Innenaufnahmen der Tatorte Konstanz, Ludwigshafen und Stuttgart dient. So belegt jedes Kommissariat eines der Stockwerke und teilt sich eine gemeinsame Pathologie.

Nur durchschnittlich vier bis fünf von ungefähr 25 Drehtagen eines SWR-Tatorts finden am Originalschauplatz statt. Auch Köln und Münster teilt man sich die Sets für Kommissariat und Pathologie.

 

Wo wurde der Tatort die kalten und Die Toten gedreht?
„Tatort”-Stadt Münster
Wo wurde der Tatort die kalten und Die Toten gedreht?
„Tatort”-Stadt Kiel © Tanja Klindworth, Spaness.de

 

Fans der jeweiligen Serie können mittlerweile in vielen Regionen an geführten Touren zu den Tatort-Drehorten teilnehmen. Etwa in Münster, wo auch ZDF-Detektiv Wilsberg ermittelt, in Berlin oder am Bodensee. In Kiel kann man sich per Rad auf eigene Faust auf die Spurensuche machen.

In Duisburg gibt es spezielle Schimmi-Touren, bei denen man auf den Spuren Schimanskis (Götz George) wandelt. Dort wurde nun sogar eine kleine Straße am Hafen, ehemals Tatort-Filmkulisse, in „Horst-Schimanski-Gasse” umbenannt.

„Warum seid ihr denn hier?“ Ja, schon komisch, dass der erwachsene Sohn mal wieder zuhause pennt. Aber Dennis (Vito Sack) hat gute Gr�nde. In der eigenen Wohnung war Party und jetzt ist da viel Blut. Mama soll es wegmachen. Macht Mama. Doris Ziegler (Jule B�we) macht alles, was Sohn und Mann ihr sagen. W�hrend die Polizistin in Abschnitt 45 Streife l�uft, betr�gt sie Ehemann Claus (Andreas D�hler) mit Hanne (Elisabeth Baulitz) aus dem Tauchclub. Die Ehe der Zieglers h�lt nur, weil es immer wieder beide braucht, um dem Sohn den Hals aus der Schlinge zu ziehen. Jetzt zum Beispiel. Bevor die F�hrte des Mordfalls Sophia Bader zu Dennis f�hrt, sitzen Rubin und Karow dem Elternpaar des Opfers gegen�ber. Auch die Baders (Andreja Schneider, Rainer Reiners) wollen der Wahrheit nicht ins Auge sehen. F�r die Biederkeit der beiden m�ssen visuell die �blichen Holzpaneele in der Wohnstube herhalten. Die Dialoge in diesem Holzkasten aber sind perfekt geschnitzt. Rubin will den Beinahe-Rentnern noch erkl�ren, was eine Dating-App ist, da schickt Karow schon mal die unverbindliche sexuelle Verabredung als normalen Programmpunkt einer Berliner Studentin ins Rennen. „Ja, dann kann es ja gar nicht unsere Tochter sein“, meint die Mutter.

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Foto: RBB / Aki Pfeiffer

Ein Kuss, ein F�nkchen Hoffnung und eine tiefe Sehnsucht nach gesunder Normalit�t. Doris Ziegler (Jule B�we) macht alles, was Sohn (Vito Sack) und Mann ihr sagen.

Wenig sp�ter erscheinen Dennis Ziegler und seine Freundin Julia (gut: Milena Kaltenbach) ungefragt bei der Kripo, erz�hlen von einer harmlosen Nacht zu dritt und verlegen sich dann auf Aussageverweigerung. Der Fall wird zu einem Rennen gegen die Wand. Die Hauptverd�chtigen sind Kinder, die ein eigenst�ndiges Leben nie gelernt haben. Die Eltern k�mmern sich um den Rest. Durchaus deutsche Realit�t, in diesem Fall dramatisch zugespitzt. Die Zieglers k�mmern sich um die Vernichtung von Beweisen, die Baders um die Unantastbarkeit ihrer Illusion von der t�chtigen Tochter, die Mutter von Julia um ihr kleines Enkelkind. Regisseur Torsten C. Fischer liefert glaubhafte Milieustudien. Der Tauchclub der Zieglers ist das kleine Paradies am Rande Berlins. In der Baderschen G�rtnerei gibt es immer genug zu tun, um nicht ins Stolpern zu geraten. Und in der Hochhausbutze von Julias Mutter (Florentine Schara) f�ngt ein Traumf�nger b�se Geister ab. Der Teufel vom Engelbecken, einem Berliner Rest des Luisenst�dtischen Kanals und Fundort der Leiche, muss da irgendwie durchgerutscht sein. Um all die solid hochgezogenen Bollwerke einzurei�en, setzen Karow und Rubin auf Schocktherapie. Rubin konfrontiert Mutter Bader mit Mutter Ziegler. Karow setzt Vater Ziegler mit dessen Seitenspr�ngen unter Druck. Zwischendurch trinken die Ermittler Bier aus der Flasche und schauen anderen beim Tanzen zu.

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Foto: RBB / Aki Pfeiffer

Die Ermittlungen laufen anders als erhofft. Rubin (Meret Becker in ihrem vorletzten Berlin-Tatort) �berkommt eine tiefe Traurigkeit. Das Erz�hlte ist schwer, zieht einen aber nicht g�nzlich herunter. Daf�r ist Fischers pr�zise Inszenierung zu distanziert.

Soweit das gewohnte Bild. Die Kipppunkte der Geschichte warten mit wenig nachvollziehbaren Attraktionen auf. Hier nochmal ein d�sterer Swingerclub als Location einer Aussprache. Dort der Brandanschlag eines R�chers, der bis dato nichts mit Rache am Hut hatte. Ein wenig wirkt das, als vertraue man der Erz�hlung nicht ganz und behelfe sich mit einer Prise exotischer Szenerie. Diese Umwege sind n�tig, weil im „Tatort – Die Kalten und die Toten“ ein sonst beliebig ausbaubares Erz�hlmoment wegf�llt. Der vermeintliche T�ter kennt keine Empathie, er zweifelt nicht, er verzweifelt nicht. Er ist h�chstens sauer, dass ihn keiner mit Auto vom Knast abholt. Dennis Ziegler f�llt als Motor der Geschichte weg. Nicht einfach – auch f�r den Zuschauer, der hier sowieso keinen Menschen au�er die Kommissare m�gen kann. Neben Meret Becker in ihrem vorletzten Fall �berzeugt Mark Waschke, der mit kleinen Gesten Karows Zerrissenheit zwischen Neugier und Abscheu f�r diese kaputte Welt glaubhaft r�berbringt. Das Back-Up f�r die Ermittlungen in der Stadt liefert der neue Kollege Malik Aslan (Tan Caglar). Aslan sitzt im Rollstuhl, macht aber gleich bei der ersten Begegnung mit Rubin klar, dass ihn das nicht behindert. Tats�chlich stimmt die Chemie und das Trio erledigt, ohne viel zu diskutieren, pragmatisch die n�chsten Schritte der Ermittlung.

Mit seinem 15. Tatort (der 16. ist mit dem Dortmund-Team abgedreht) verfilmte Torsten C. Fischer einen Fall von gro�er Traurigkeit, ohne �berm��ig auf die Tr�nendr�se zu dr�cken. H�chstens Nina Rubin sinkt mal mit dem Kopf auf den Tresen, weil sie sich so sehr nach „was Lustigem“ sehnt. „Tatort - Die Kalten und die Toten“ nach einem Drehbuch von Markus Busch ist nicht lustig und auch nicht sehr spannend. Der Fall erz�hlt von Menschen, die Hilfe gebraucht h�tten, sie aber nie bekamen. Es sind Gro�stadtschicksale, aus denen sich kein unterhaltsamer Krimi schnitzen l�sst. Passend zum Thema im Winter gedreht, experimentiert Fischer weder mit Kamera noch mit auffallendem Soundtrack. Der Fall konzentriert sich ganz auf seine Figuren. Das Ermittlerteam, das sich im letzten Fall selbst auf ein sexuelles Abenteuer eingelassen hat, nimmt sich am Ende in den Arm und einer sagt Entschuldigung.

Wo wurde der Tatort die kalten und Die Toten gedreht?

Foto: RBB / Aki Pfeiffer

Was ist in der verh�ngnisvollen Nacht genau passiert? Vito Sack, Milena Kaltenbach

Martina Kalweit, freiberufliche Journalistin aus Hamburg, war 20 Jahre Film-Redakteurin bei „TV Spielfilm“. In dieser Zeit auch Autorin des Serienmagazins, der TV-Beilage „Stern TV“ und der Filmzeitschrift „Cinema“. Seit 2003 Jury-Mitglied beim Roland-Krimipreis im Rahmen des Festivals „Tatort Eifel“.