Pflegeheim Nicole Müller Tochter von Gerd Müller

Die heutige Zeit wäre nicht Gerd Müllers Welt gewesen. Im Zuge der schnelllebigen Medien immer und überall in der Öffentlichkeit zu stehen – nicht das Ding des kamerascheuen Weltmeisters. Dabei hatte der legendäre Mittelstürmer während seiner Karriere voller Titel und Torrekorde Sprüche drauf, die heute in den sozialen Medien Renner wären, etwa über das Geheimnis der Torjägerkunst: "Wenn’st denkst, is’ eh zu spät." In der längeren Version: "I hau’ halt immerzu aufs Tor. Wenn ich drei Sekunden zum Überlegen hätt’, wär’s vorbei."

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Nachdem Gerd Müller zu Beginn der Neunzigerjahre seine Alkoholkrankheit überwunden hatte, zog sich das ohnehin zurückhaltende Ehepaar Müller ganz aus der Münchner Gesellschaft zurück und bewegte sich nur noch im vertrauten Freundeskreis. Alzheimer, dieses grauenhafte Schicksal, das den Patienten erst die Erinnerungen, dann die Sprache, die Gedanken und am Ende das ganze Selbst raubt, hatte den Bomber der Nation ereilt. Die Demenz infolge der Alzheimererkrankung nahm Müller seit Herbst 2014 mehr und mehr in Besitz, griff seinen Geist an und beeinträchtigte seine Motorik. Vergangenen Sonntag verstarb der größte deutsche Torjäger der Geschichte mit 75 Jahren in einem Pflegeheim außerhalb Münchens.

Auf seine Anwesenheit wollte kein Trainer verzichten

Ab 2013 fiel es Müller immer schwerer, seinen Aufgaben als Assistenztrainer der zweiten Mannschaft des FC Bayern nachzukommen. Dennoch kam er weiterhin an die Säbener Straße, um sich auf dem Ergometer sportlich zu betätigen, in die Sauna zu gehen und sich bei der Massage zu entspannen. Die Spieler behandelten ihn weiterhin respektvoll, Müller blieb Teil der Bayern-Familie. Bei den Heimspielen saß er auf der Trainerbank, an den Besprechungen in der Kabine nahm er jedoch nicht mehr teil. Auf seine Anwesenheit wollte kein Trainer der Amateure, ob Hermann Gerland oder Mehmet Scholl, verzichten.

Was war Müller für ein Mensch? "Ein sensationell guter Mensch", schrieb der heutige Bayern-Star Thomas Müller nach dem Tod der Legende bei Instagram. So ehrgeizig er als Fußballprofi und leidenschaftlicher Hobbytennisspieler auf jedem Sportplatz war, bestach er außerhalb durch seine Bescheidenheit und Bodenständigkeit. Müller war eine ehrliche Haut, demütig, niemals falsch oder berechnend.

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Weltstar ohne Arroganz und Überheblichkeit

Flugangst war Zeit seines Lebens ein schlimmer Begleiter, der Aberglaube half ihm in allen Lebenslagen. Er zog immer erst den linken Schuh an, um den Hals trug er stets ein Amulett. Auch bei den Spielen – was damals noch erlaubt war. Arroganz oder Überheblichkeit kannte der Weltstar nicht. "Er hat das gegenüber Reservespielern nie zur Schau gestellt, sondern mit jedem geredet oder Karten gespielt", erinnert sich Mitspieler Katsche Schwarzenbeck, der legendäre Ausputzer der Bayern. "Dass ich berühmt geworden bin, ist mir eigentlich wurscht", sagte Müller, der sich am liebsten auf die heimische Couch zurückzog oder in den Wäldern am Stadtrand Münchens lange Spaziergänge machte.

Mit Schäferhund Assia, Tochter Nicole und Frau Uschi, die er im Oktober 1965 bei einer Kaffeepause in einem Tchibo-Laden am Münchner Ostbahnhof kennenlernte. Damals arbeitete Müller nebenbei in einem Möbelhaus. Uschi war erst 16, ließ sich auf ein Date mit dem jungen Fußballer im Kino ein: Beim Western "Rio Bravo" mit John Wayne verknallten sie sich, elf Monate später folgte die Verlobung. 1967 die Hochzeit, Uschi war 18, Gerd 21. Sie blieben sich treu – bis zuletzt umsorgte seine Frau ihren Gerd tagtäglich im Pflegeheim. ENDE

Ein ganzer Verein ist in Moll, ein Land in Trauer um den „Bomber der Nation“, um einen der größten Fußballer dieser Erde – nicht zu vergessen der Schmerz der Familie um seine Frau Uschi und Tochter Nicole. Gerd Müller ist tot.

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Am Sonntag verstarb Müller mit 75 Jahren in einem Pflegeheim bei München. Man kann nur hoffen, dass es so gekommen ist, wie seine Ehefrau es vor wenigen Wochen angesichts der unablässig fortschreitenden Demenz infolge der Alzheimer-Erkrankung formuliert hatte: „Er schläft langsam hinüber.“ Uschi, die ihren Mann seit Dezember 2014 jeden Tag besuchte und pflegte, bis sie wegen strenger Auflagen in der ersten Corona-Welle drei Monate Besuchsverbot hatte, hoffte inständig, „dass er nicht nachdenken kann über sein Schicksal, über eine Krankheit, die dem Menschen die letzte Würde raubt.“ Zuletzt war sie froh, wenn er wenigstens ihre Stimme, die Stimme, der ihm seit der Hochzeit 1967 nahe stehendsten Person, erkannte. Den Kampf gegen das Vergessen hatte Müller bereits verloren, nun ist er sanft entschlummert.

Gerd Müller: Die Karriere des Top-Torjägers in Bildern

Gerd Müller feierte im Verlauf seiner großen Karriere zahlreiche Erfolge. ©

Gerd Müller: Die Erkrankung nahm ihm einen fröhlichen Lebensabend

Die Erinnerung an das Ich, an sein Leben, an den Fußball, an die fantastische Karriere, an die Rekorde – all das verflog wie der Sand in einer Sanduhr. Die Erkrankung nahm ihm einen fröhlichen Lebensabend. Müller wurde seit Längerem nur noch palliativ behandelt. Sein Tod war eine Frage der Zeit.

„Die Welt des FC Bayern steht still“, schrieb der Rekordmeister auf seiner Homepage, seit der Todesnachricht komplett in schwarz-weiß gehalten. „Gerd Müller war der größte Stürmer, den es je gegeben hat – und ein feiner Mensch, eine Persönlichkeit des Weltfußballs“, sagte Präsident Herbert Hainer tief betroffen. Vorstandsboss Oliver Kahn bezeichnete „kleines dickes Müller“, wie ihn der frühere Bayern-Coach Tschik Cajkovski Mitte der 60er-Jahre taufte, als „eine der größten Legenden. Gerd wird für immer in unseren Herzen sein.“

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Des Bombers Zahlenwerk in aller Kürze: Von 1964 bis 1979 erzielte er in 602 Pflichtspielen 555 Tore für Bayern. Der Akrobat im Strafraum, holte 13 Titel mit den Münchnern, gewann von 1974 bis 1976 den Europapokal der Landesmeister. Siebenmal wurde er Bundesliga-Torschützenkönig, die scheinbar unerreichbare Bestmarke von 40 Treffern in einer Saison hatte 49 Jahre Bestand, ehe Robert Lewandowski letzte Saison noch ein Tor mehr erzielte. Für die Nationalmannschaft traf er 68-mal (und das in nur 62 Spielen!), wurde 1972 Europa- und zwei Jahre darauf Weltmeister. Der Siegtreffer im WM-Finale 1974 gegen die Niederlande war sein wichtigster.

Gibt es im Himmel einen Bolzplatz, wird Müller nun dort seinen Spaß haben

Franz Beckenbauer, selbst 75 Jahre alt, brachte es auf den Punkt: „Alles, was der FC Bayern geworden ist, verdankt er Gerd Müller. Ohne die Tore von Gerd würden wir heute immer noch in der Bretterbude an der Säbener Straße sitzen.“ Paul Breitner sagte einmal: „Gerd Müller ist der wichtigste und größte Fußballer, den Deutschland nach 1954 gehabt hat. Der FC Bayern und die Nationalelf sind das, was sie geworden sind, durch Gerd Müller. Ich auch.“ Tiefer kann man sich nicht verbeugen. Vor ihm, dem gefürchteten Stürmer, dem allseits verehrten Müller, dem geliebten Gerd.

Gibt es im Himmel einen Bolzplatz, wird Müller nun dort sein Unwesen treiben. Kurze Drehung und rein das Ding. Wenn es dieser Tage blitzt und donnert, ist es kein Sommergewitter. Dann macht es bumm – da oben. Hier unten bleiben Müller und seine Tore unvergesslich.

Autor Patrick Strasser schrieb 2015 gemeinsam mit Udo Muras die Biografie „Gerd Müller – der Bomber der Nation“. Der SPORTBUZZER, das Sportportal des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) widmet Müller in der kommende Woche eine dreiteilige Serie.

Warum ist Gerd Müller verstorben?

Gerd Müller starb am Sonntag nach langer Alzheimer-Krankheit in einem Pflegeheim. Er hinterlässt seine Frau Uschi, seine Tochter Nicole und einen Enkelsohn.

Hat Gerd Müller Kinder gehabt?

Nicole MüllerGerd Müller / Kindernull

Wo ist das Grab von Gerd Müller?

Friedhof Straßlach, Straßlach-Dingharting, DeutschlandGerd Müller / Ort der Beerdigungnull

Wie lange war Gerd Müller im Pflegeheim?

Müller litt vor seinem Tod jahrelang an einer Demenz-Erkrankung. Seine letzten Jahre verbrachte er in einem Pflegeheim bei München, wo er von seiner Ehefrau Uschi sechseinhalb Jahre beinahe täglich besucht wurde.