Was ist aus der weissen Massai geworden?

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Im AZ-Interview: Die "weisse Massai" Corinne Hofmann über die Begegnung mit ihrer Tochter und ihrem Vater in Kenia.
22. November 2011 - 15:51 Uhr |

Picknick mit dem Papa: Tochter Napirai hat endlich ihren Vater Lketinga (mit rotem Hut) getroffen.

A1-Verlag, Hofmann Picknick mit dem Papa: Tochter Napirai hat endlich ihren Vater Lketinga (mit rotem Hut) getroffen.

Mitte der 1980er verliebte sich die Schweizerin Corinne Hofmann in einen Samburu-Krieger. Sie zog zu ihm in den kenianischen Busch und bekam Tochter Napirai. Später schrieb sie ihre Liebesgeschichte auf und wurde als „Weiße Massai“ weltbekannt. Nach zwei weiteren Büchern und einem Kinofilm mit Nina Hoss in der Hauptrolle wollte die 51-Jährige eigentlich nicht mehr als „weiße Massai“ in Erscheinung treten. Eigentlich. Am Mittwoch stellt Sie in München ihr viertes Buch vor: „Afrika, meine Passion“.

AZ: Frau Hofmann, Sie sind ja doch rückfällig geworden. Warum?

CORINNE HOFMANN: Das hat sich mal wieder so ergeben, wie eigentlich alle meine Bücher. Ich hatte mich zurückgezogen, bin durch Indien gereist und hab gedacht: Schön. Interessant. Aber so richtig gepackt hat es mich nicht. Erst im Norden, als ich gesehen habe, wie dort die Frauen mit ihren bunten Saris durch die Steppe wanderten, mit den Wasserkrügen auf dem Kopf, hat mich etwas berührt, weil ich dieses Bild von den Samburu-Frauen aus Kenia kannte.

Also sind Sie wieder nach Afrika geflogen.

Ja, weil ich ein Inserat von jemandem gelesen habe, der eine Trekking-Partnerin suchte. Trekking, Abenteuer, Wildnis, das hat mich angesprochen. Ich wusste aber nicht, wohin es geht. Plötzlich hieß es Namibia – also wieder Afrika, zu Fuß, ein paar Wochen mit Kamelen, super! Und da ist mein Afrika-Fieber wieder voll entflammt. Ich wollte mehr über die einfachen Menschen in Afrika erfahren und darüber schreiben. Ich wollte Lebensgeschichten finden, die so noch nicht erzählt wurden. So sind die Nairobi-Slum-Geschichten entstanden: von der Bettlerin zur Hausbesitzerin, von der Straßenfrau zur Geschäftsfrau mit 62 Angestellten. Geschichten, die zeigen, dass Afrika nicht nur Armut ist. Geschichten, die unter die Haut gehen.

Das sind sie offenbar auch Ihrer Tochter Napirai.

Ja. Sie war gerade in der Ausbildung zur Maskenbildnerin. Und da hat man ja auch immer wieder Durchhänger und jammert. Als ich dann voller Energie aus Afrika zurückkam und anfing, meine Geschichten niederzuschreiben und ihr vorzulesen, hat sie gesagt: Wow, ich jammere nie mehr! Diese Stärke hat sie schon beeindruckt.

So sehr, dass Sie sich dazu entschlossen hat, endlich ihre Familie in Kenia zu besuchen.

]Genau. Hinzu kam noch ein Brief von James, dem Bruder meines Ex-Mannes. Er war fünf Mal so lang wie gewöhnlich und sehr emotional. Zwischen den Zeilen merkte man, dass sie im Dorf ein weißes Haus zum Andenken an mich bauen wollen und dass dann da natürlich auch Platz ist, wenn „unsere Napirai“ mal kommt. Diesen Brief habe ich meiner Tochter auch vorgelesen und dann kam ganz spontan: Ich glaub’ jetzt bin ich bereit, können wir nicht im Sommer fliegen? Und drei Monate später sind wir hin.

Napirai ist jetzt Anfang 20. Warum hat sie sich so lange Zeit gelassen, ihren Vater kennen zu lernen?

Erstens hätte ich sie gar nicht reisen lassen, bevor sie volljährig war. Da hätte ich ja befürchten müssen, dass sie vielleicht nicht mehr zurückkommt, wenn der Vater Ansprüche erhebt. Dann war sie in der Pubertät, in Amerika, in der Ausbildung. Und natürlich hat sie sich Freude über die Briefe, aber sie hat sich mehr auf ihre weiße, Schweizer Seite konzentriert. Erst später kam dieser Wandel, dass sie die Frisur auch mal afrikanisch trug und entsprechenden Schmuck.

Welche Gefühle hatten Sie vor der Begegnung?

Meine Tochter war zunächst unsicher, weil sie den Papa eigentlich nicht kannte. Da war diese Angst: Akzeptiert er einen? Kommt er auf einen zu? Ich meinerseits wusste, dass Lketinga schon von der Kultur her keiner ist, der gleich auf Frau und Kind zustürmt und Emotionen zeigt. Das gehört nicht zu diesem Stamm. Ich wusste, dass er sich wirklich freut, aber ob er das dann auch zum Ausdruck bringen kann, das wusste ich nicht.

Und wie lief’s dann mit dem Papa?

Ganz toll! Eigentlich war ausgemacht, dass wir erstmal nur den Schwager James treffen, und zwar nicht im Dorf, sondern schon vorher. Aber der Papa konnte nicht warten und kam auch gleich am ersten Tag. Napirai war 18 Monate alt, als ich Kenia mit ihr verlassen habe – und jetzt ist er auf sie zugestürmt und hat sie so herzlich umarmt, wie ich das nie für möglich gehalten habe. Er saß eine halbe Stunde nur da, sah sie an und versuchte, seine Emotionen im Griff zu behalten. Sie sagt: Schöner hätte sie sich die Begegnung nicht erträumen können.

Hat das Treffen Ihre Tochter verändert?

Seit diesem Besuch – er ist jetzt ein gutes Jahr her – ist sie viel selbstbewusster geworden. Sie ist stolz auf ihre Teil-Familie und man sieht in ihren Augen: Sie hat zu sich selbst gefunden.

Wie war diese Familienzusammenführung für Sie?

Ich war aufgeregt, der Stress und die Nervosität meiner Tochter haben sich auf mich übertragen. Aber dann konnte ich die beiden einfach beobachten und stolz darauf sein, dass ich es geschafft habe, diesen Kontakt 20 Jahre lang aufrecht zu erhalten und eine gute, unbelastete Basis für dieses Treffen geschaffen habe.

Wie hat sich Lketingas Dorf Barsaloi seit Ihrer Zeit als „weiße Massai“ verändert?

Das Dorf ist rasant gewachsen, es gibt viel mehr Steinhäuser, 13 oder 14 Shops und Bars – das hat es früher alles nicht gegeben. Ich hatte den ersten Shop. Damals war die Schule noch im Bau, jetzt ist sie fertig. Deshalb ist das Dorf im Verhältnis explodiert. Es leben dort etwa 100 Mal so viele Menschen wie früher. Es gibt einen Brunnen, ich hab das Wasser noch vom Fluss geholt. Aber es gibt immer noch keinen Strom, keinen Handy-Empfang, kein Fernsehen und kein fließendes Wasser.

Gibt es Touristen, die auf den Spuren der weißen Massai nach Barsaloi reisen?

Vereinzelt. Wobei ich ehrlich sagen muss: Viele scheitern Gott sei Dank schon vorher, weil es dorthin keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt und die Straßenverhältnisse doch sehr prekär sind.

Corinne Hofmann liest am Mittwoch ab 19 Uhr in der Black Box im Gasteig.

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Wie endet die weisse Massai?

Am Ende geht sie mit ihrer Tochter wieder zurück in die Schweiz. Was ich nicht ganz verstehe ist, dass Lemalian zwar weiß, dass sie nicht wieder kommen wird, aber auch nicht um seine Tochter kämpft. Das war dann doch etwas überraschend.

Was macht der Massai heute?

Heute vollziehen die Massai den Umbruch von einem Nomadenvolk in ein sesshaftes Leben. Die 140.000 Massai in Tansania leben vorwiegend in der Gegend um Arusha sowie in der Ngorongoro Conservation Area und in der Serengeti.

Ist die weiße Massai echt?

Corinne Hofmann (* 4. Juni 1960 in Frauenfeld, Kanton Thurgau, Schweiz) ist eine deutsche Geschäftsfrau und Buchautorin. Bekannt wurde sie 1998 mit ihrem Bestseller Die weiße Massai, in dem sie die Erfahrungen ihrer vierjährigen Ehe mit einem Samburukrieger in einer ländlichen Gegend in Kenia schildert.

Wie lange war die weisse Massai in Afrika?

In diesem Buch beschreibt die Autorin ihre im kenianischen Busch verbrachten vier Jahre. Das Buch erzählt die Geschichte einer erfolgreichen Schweizer Geschäftsfrau, die sich auf einer Fernreise in Kenia in den Nomaden Lketinga verliebt, sich entschließt bei ihm zu leben und ihn schließlich heiratet.