Was passiert wenn in deutschland krieg ausbricht

Hintergrund

Stand: 02.03.2022 17:49 Uhr

Deutschland will die Ukraine im Krieg gegen Russland unterstützen und liefert Waffen. Wird Deutschland dadurch zur Konfliktpartei? Was sagt das Völkerrecht?

Von Florian Roithmeier und Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Völkerrechtler sind sich einig: Der Angriff Russlands auf die Ukraine verletzt klar internationales Recht, etwa das Gewaltverbot. Die Ukraine kann sich daher auf das Recht zur Selbstverteidigung berufen. Deutsche Soldaten kämpfen im von Russland begonnenen Krieg mit der Ukraine nicht mit. Dennoch: Die Bundesrepublik schlägt sich mit deutlichen Worten auf die Seite der Ukraine, liefert Waffen dorthin und unterstützt gleichzeitig scharfe Sanktionen gegen Russland. Läuft Deutschland dadurch Gefahr, selbst in den Krieg hineingezogen zu werden?

Nur wer bewaffnet mitmacht, ist Konfliktpartei

Das humanitäre Völkerrecht differenziere in solchen Situationen zwischen neutralen Staaten und Parteien des Konfliktes, erklärt Pierre Thielbörger, Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Ruhr-Universität Bochum: "Ein Staat ist jedenfalls dann nicht mehr neutral, wenn er an Kriegshandlungen mit eigenen Streitkräften teilnimmt."

Das heißt: Würde die Bundeswehr in der Ukraine kämpfen, dann hätte Deutschland damit den Status einer Konfliktpartei. Bislang haben allerdings alle NATO-Staaten eine solche Teilnahme ihrer Truppen an Kampfhandlungen ausgeschlossen.

Die Waffenlieferungen alleine sorgen nach Expertenmeinungen nicht dafür, dass Deutschland Konfliktpartei wird. Das entspreche nicht der Staatenpraxis, so Thielbörger. "Wäre dies der Fall, bestünde auch die Gefahr, dass weniger Länder zu Waffenlieferungen bereit wären."

Zudem: Nach völkerrechtlichen Maßstäben hat die Ukraine ohnehin ein Recht zur Selbstverteidigung gegen die russische Aggression. Die Ukraine im Konflikt mit eigenen Truppen zu unterstützen, würde zwar den Status der Neutralität beseitigen - es wäre aber nach geltenden Maßstäben nicht völkerrechtswidrig. Gegenüber Russland könnte man dann lediglich nicht mehr auf den eigenen Status als neutraler Staat verweisen, sehr wohl aber auf die anderen Prinzipien des Völkerrechts.

Status als "Konfliktpartei" hätte Konsequenzen

Würde Deutschland zu einer Konfliktpartei werden, hätte das Folgen. Neutrale Staaten hätten unter dem Neutralitätsrecht unter anderem das Recht auf Unverletzlichkeit ihres Territoriums. Diesen besonderen Schutz unter dem Recht der Neutralität würde Deutschland als am Konflikt beteiligte Partei nicht mehr haben, so Professor Thielbörger.

Daraus folgt aber nicht, dass Angriffe auf deutsche Ziele gerechtfertigt wären: "Wichtig ist aber, dass dies nicht andere Regeln des Völkerrechts beeinflusst." Auch Staaten, die als Konfliktparteien gelten, können sich also weiterhin auf allgemeines Völkerrecht berufen. Das danach geltende Gewaltverbot bestehe weiter. Angriffe auf deutsche Ziele oder der Angriffskrieg Russlands an sich blieben weiterhin rechtswidrig.

Leistet Belarus "Beihilfe"?

Das russische Militär fährt seine Angriffe unter anderem aus dem Norden, von belarusischem Staatsgebiet kommend. Damit mache sich laut Thielbörger auch Belarus mitverantwortlich: "Nach den Regeln der Staatenverantwortlichkeit im Völkerrecht löst auch die Hilfeleistung zu einem völkerrechtswidrigen Akt eines anderen Staates die Verantwortlichkeit eines Staates aus, wenn dies im Wissen um die Rechtswidrigkeit geschieht und den hilfeleistenden Staat dieselben Pflichten treffen. Dies ist in Bezug auf Belarus der Fall."

Wenn die eigenen Bürger mitkämpfen

Am vergangenen Montag hat das lettische Parlament seinen Staatsbürgern erlaubt, als Freiwillige die Ukraine im Kampf gegen Russland zu unterstützen. Die beschlossenen Gesetzesänderungen sorgen dafür, dass solche freiwilligen Kämpfer nach ihrer Rückkehr nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Würden deutsche Staatsbürger in den Ukraine-Krieg ziehen, muss, so Völkerrechtsprofessor Thielbörger, unterschieden werden: "Aus der unerbetenen Teilnahme von Staatsbürgern an Kriegshandlungen kann für einen Staat jedenfalls keine Verantwortung resultieren", sagt er. Deutschland könne ja gar nicht kontrollieren, was alle seine Staatsbürger tun, wenn sie das Land verlassen haben.

Schwieriger sei es, wenn Deutschland die Teilnahme stillschweigend billige. "Aus meiner Sicht kann aber auch dies Deutschland noch nicht zur Konfliktpartei machen, solange Deutschland seine Bürger nicht dazu anweist, an den Feindseligkeiten teilzunehmen", so Thielbörger.

Man kenne ähnliche Diskussionen bisher eher aus Fällen, in denen sich deutsche Staatsbürger dem terroristischen IS angeschlossen haben. Auch das löse ja keine deutsche Verantwortlichkeit aus. "Das muss dann in Fällen, in denen sich Deutsche einer (ja grundsätzlich legalen) Verteidigungshandlung der Ukraine anschließen, erst recht gelten."

Würden Deutsche in der Ukraine Kriegsverbrechen begehen, sei Deutschland aber durchaus verpflichtet, diese Personen bei ihrer Rückkehr zu bestrafen. "Selbst wenn man sich an einer (legalen) Selbstverteidigung beteiligt, ist man dabei natürlich an die Regeln des bewaffneten Konfliktes gebunden." All das mache aber Deutschland nicht zu einer Konfliktpartei.

Was passiert im Falle eines Krieges in Deutschland?

Im Verteidigungsfall geht die Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr vom Bundesminister der Verteidigung auf den Bundeskanzler über. Dieser vereinigt in seiner Person dann die politische und die militärische Entscheidungsgewalt.

Was passiert wenn in Deutschland das Kriegsrecht ausgerufen wird?

Wenn das Kriegsrecht ausgerufen wird, dann gelten besondere Ausnahmeregeln in einem Land. Zum Beispiel dürfen Soldaten andere Soldaten töten. Es können Beschränkungen für die Bevölkerung verhängt werden, dass diese sich zum Beispiel zur Sicherheit in ihren Häusern aufhalten sollen.

Wer wird im Kriegsfall in Deutschland eingezogen?

Sollte eine Situation aber erfordern, dass eine erhöhte militärische Alarmstufe eintritt, der sogenannte Spannungsfall, oder gar der Verteidigungsfall, kann die Bundeswehr alle Wehrpflichtigen im Alter von 18 bis 60 Jahre einberufen – unabhängig davon, ob sie der Reserve angehören oder nicht.

Wer muss im Kriegsfall einrücken?

Nach § 1 Abs. 1 WPflG sind in Deutschland alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind, wehrpflichtig. Durch die allgemeine Heranziehungsgrenze werden allerdings in der Regel alle über 23-jährigen nicht mehr zum Dienst in der Bundeswehr herangezogen.