Welches Sozialversicherungsrecht gilt wenn Mitarbeiter im nicht EU Ausland leben und per Homeoffice für ihren Arbeitgeber in Deutschland arbeiten?

16. November 2021

Immer mehr Arbeitnehmer:innen arbeiten im Homeoffice. Dabei fragen sich viele von ihnen, ob sie ihr Homeoffice auch ins Ausland verlegen können. Lesen Sie hier, ob Arbeitgeber:innen das erlauben müssen und was sie dabei beachten sollten.

Wenn Arbeitnehmer:innen fragen, ob sie ihr Homeoffice ins Ausland verlegen dürfen, sollten Arbeitgeber:innen arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Aspekte genau in den Blick nehmen. Dann wird schnell klar, dass es mitunter einen großen Unterschied machen kann, ob Arbeitnehmer:innen vom In- oder Ausland aus für ein Unternehmen arbeiten. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die zu beachtenden Aspekte und gesetzlichen Regelungen umfangreich und damit problemanfällig sind. Auch sind die anzuwendenden Regelungen stark vom Einzelfall, insbesondere von der Tätigkeitsdauer sowie dem Tätigkeitsort abhängig. Eine detaillierte Einzelfallprüfung, ob Arbeitgeber:innen das Arbeiten aus dem Homeoffice im Ausland erlauben (sollten) oder nicht, ist also unumgänglich.

Sozialversicherungsrechtliche Perspektive

Wenn Mitarbeitende ihr Homeoffice im Ausland haben, kann das zunächst Auswirkungen auf die Sozialversicherungspflicht haben.

Grundsätzlich gilt im Sozialversicherungsrecht der Grundsatz, dass sich das anzuwendende Sozialversicherungsrecht nach dem Recht des Ortes richtet, von dem aus gearbeitet wird. Die Regelungen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes sind diesbezüglich einheitlich geregelt. Das gilt auch für die Schweiz.

Abzugrenzen ist Homeoffice im Ausland von der Situation von Grenzgänger:innen oder der sogenannten Entsendung von Arbeitnehmer:innen. Denn sie bleiben grundsätzlich im heimischen Sozialversicherungssystem. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Homeoffice im Ausland ist allerdings deutlich komplexer. Wichtig zu wissen: Bei Homeoffice im Ausland handelt sich nicht um eine Entsendung von Arbeitnehmer:innen. Grund dafür ist der Wunsch des Mitarbeitenden, vom Ausland aus zu arbeiten. Es gibt also keine Weisung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin.

Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Homeoffice im Ausland wird weiter dadurch erschwert, dass ein Verbleib im deutschen Sozialversicherungssystem auch dann erreicht werden kann, wenn eine Tätigkeit in mehreren europäischen Ländern ausgeführt wird.  In diesem Fall gilt dann nicht mehr zwangsläufig der bereits angesprochene Grundsatz, dass Tätigkeitsort und Ort der Sozialversicherung zusammenfallen.
Streng unterschieden werden muss bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht außerdem zwischen einem Tätigkeitsort im europäischen oder außereuropäischen Ausland. Internationale Abkommen sowie Kollisionsnormen im Sozialversicherungsrecht erhöhen hierbei den Beratungsbedarf.
Das Thema Homeoffice im Ausland ist bislang noch eine rechtliche Grauzone; eine rechtliche Einschätzung ist daher nicht zweifelsfrei möglich.

DVKA und A1-Bescheinigung

Arbeitgeber:innen raten wir daher, vor einer Zusage bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) des GKV-Spitzenverbandes anzufragen. Mit der DVKA sollten sie klären, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für eine Ausnahmevereinbarung nach § 16 VO (EG) 883/2004 vorliegen und Arbeitnehmer:innen im deutschen Sozialversicherungssystem verbleiben können.

Fast immer liegt der Verbleib im Interesse der Arbeitnehmer:innen. Denn so lässt sich vermeiden, dass nach dem Erwerbsleben Teilrenten aus mehreren Staaten bezogen werden müssen. Der mitunter erhebliche Verwaltungsaufwand spricht auch auf Arbeitgeber:innenseite für den Verbleib.

Arbeitgeber:innen müssen zusätzlich prüfen, ob eine sogenannte “A1-Bescheinigung” zur Dokumentation der Sozialversicherungspflicht in Deutschland beantragt werden sollte – und sei es nur vorsorglich. Details dazu finden Sie hier.

Arbeitsrechtliche Perspektive

Das deutsche Arbeitsrecht sieht Arbeit aus dem Homeoffice im Ausland grundsätzlich erst einmal nicht vor. Auch wenn die Bestimmung des Tätigkeitsorts dem Direktionsrecht des Arbeitgebenden unterliegt, so beschränkt sich dieses ohne gesonderte Vereinbarung im Zweifel auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Besonders schwer macht die Einschätzung der arbeitsrechtlichen Gesamtsituation die Tatsache, dass sich bei Verlagerung des Homeoffice vom In- ins Ausland die Arbeitnehmerschutzvorschriften ändern können. Auch wenn zwischen Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber:in vereinbart wird, dass das Arbeitsverhältnis weiterhin deutschem Recht unterliegen soll, so können mitunter die Regelungen am ausländischen Tätigkeitsort auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Und zwar dann, wenn die ausländischen Regelungen gegenüber den deutschen Regelungen arbeitnehmerfreundlicher sind. Beispielsweise können dies Regelungen zu Arbeitsschutz und Mindestlohn sein. Dies wiederum macht eine Prüfung der arbeitsrechtlichen Vorschriften im jeweiligen Land erforderlich.

Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag

Sofern Arbeitnehmer:innen Homeoffice im Ausland ermöglicht werden sollen, ist damit in jedem Fall eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zu treffen.

Darin sollte geregelt werden:

  • der Tätigkeitsort,
  • Abeitszeiten, Erreichbarkeit während der Arbeitszeit, Dokumentation der Arbeitszeit
  • Arbeitsmittel und wer diese zur Verfügung stellt
  • Zeitraum und Dauer des Auslandsaufenthalts
  • Eventuell Regelungen zur Probezeit
  • Ausschluss der Vergütung von Wegzeiten zum ausländischen Tätigkeitsort
  • Gegebenenfalls Pauschale für die Kosten für die Unterhaltung des Homeoffiices
  • Möglicherweise Vereinbarung eines Rückholrechts des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin
  • Datenschutz und Verschwiegenheit
  • Rechtswahl – das Arbeitsverhältnis unterliegt weiterhin deutschem Recht

Weiterhin müssen Arbeitgeber:innen klären, ob der Betriebsrat mit einbezogen werden muss.

Steuerrechtliche Perspektive

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der beachtet werden muss, ist die steuerrechtliche Beurteilung. Auch sie ist stark vom Einzelfall abhängig.

Die Pflicht zur Zahlung von Einkommenssteuer in Deutschland fällt dann weg, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin seinen oder ihren Wohnsitz oder seinen oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik hat. Geregelt ist dies in § 1 Abs. 1 EStG. Der gewöhnliche Aufenthalt liegt außerhalb der Bundesrepublik, wenn sich der oder die Arbeitnehmer:in mehr als 183 Tage im Ausland aufhält (§ 9 S. 2 Abgabenordnung). Innerhalb der Europäischen Union sind Angestellte nach den meisten Doppelbesteuerungsabkommen nur in ihrem Wohnsitzland steuerpflichtig.

Hier ist ebenfalls die Dauer der Tätigkeit im Ausland entscheidend. Zu berücksichtigen ist hierbei in erster Linie, ob der Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagert wird. Konkrete Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen, die insbesondere die Dauer des Auslandsaufenthaltes beinhalten, können hier entscheidend zur Risikominimierung beitragen.

Weiterhin ist unter steuerlichen Gesichtspunkten problematisch, dass beispielsweise bei späterer Anmietung von Büroräumen oder Abschluss weiterer Verträge im Ausland auch von einer ausländischen Betriebsstätte mit entsprechenden steuerrechtlichen Folgen ausgegangen werden könnte. Dies kann dann ebenfalls teils umfangreiche Registrierungs- und Deklarationspflichten zur Folge haben. Auch können empfindliche Strafen und Bußgelder drohen, sollten entsprechende Regelungen nicht eingehalten werden. Daher raten wir dringend, eine vorherige steuerrechtliche Überprüfung vorzunehmen. Das gilt auch für die Anwendbarkeit etwaiger Doppelbesteuerungsabkommen.

Aufenthaltsrechtliche Perspektive

Bevor Arbeitgeber:innen einem Homeoffice im Ausland zustimmen, sollten sie zusätzlich die aufenthaltsrechtliche Situation ihrer Arbeitnehmer:innen prüfen. Während diese in Mitgliedsstaaten der EU unproblematisch ist, benötigen Arbeitnehmer:innen in anderen Ländern mitunter einen Aufenthaltstitel mit Arbeitserlaubnis.

Unsere Einschätzung

Wenn Arbeitgeber:innen dem Homeoffice im Ausland zustimmen, können die rechtlichen Folgen gravierend sein. Gleichzeitig sind sie nur schwer überschaubar und verursachen mitunter erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand.

Wichtig zu wissen: Arbeitnehmer:innen haben keinen Anspruch darauf, ihr Homeoffice ins Ausland zu verlagern.
Wir raten Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern daher, immer detailliert und im Einzelfall zu prüfen, ob sie Homeoffice im Ausland ermöglichen und einem solchen Wunsch zustimmen wollen.

Haben Sie Fragen? Dann kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

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Ist Homeoffice aus dem Ausland erlaubt?

Homeoffice im Ausland innerhalb der EU Das bedeutet, dass sich EU-Bürger*innen in jedem Mitgliedsstaat niederlassen und dort arbeiten können. Meistens ist lediglich eine Anmeldung bei der Gemeinde und/oder dem Ausländeramt vorgeschrieben. Für EU-Länder ist besonders die A1-Bescheinigung wichtig.

Welcher Rechtskreis gilt bei Homeoffice?

Übt ein Arbeitnehmer seine Beschäftigung überwiegend nicht mehr im Büro des Arbeitgebers, sondern im Homeoffice aus, gilt für den Arbeitnehmer in dieser Zeit der Rechtskreis seines Wohnortes.

Wann gilt deutsches Sozialversicherungsrecht?

Damit weiter deutsches Sozialversicherungsrecht gilt, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein: So muss der Aufenthalt zum Beispiel von vornherein zeitlich befristet sein, das Entgelt muss in Deutschland abgerechnet werden und der Mitarbeiter muss weiterhin durch den inländischen Auftraggeber weisungsgebunden sein.

Sind ausländische Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig?

Jeder in Deutschland beschäftigte ausländische Arbeitnehmer unterliegt grundsätzlich dem deutschen Sozialversicherungsrecht.