Sollversteuerung oder Istversteuerung – Was ist der Unterschied?Ist- oder Sollversteuerung? Letztlich hat diese Frage in erster Linie Bedeutung für die Umsatzsteuer. Show ! Zur Erinnerung: Jedes Unternehmen (Ausnahme: Kleinunternehmer) berechnet für jede Leistung Umsatzsteuer (meist 19 oder 7 Prozent), die vom Kunden bezahlt wird. Diese Umsatzsteuer muss jeden Monat oder jedes Vierteljahr (Quartal) an das Finanzamt abgeführt werden. Was der Betrieb selbst an Umsatzsteuer zahlt, ist als Vorsteuer von der eigenen Umsatzsteuer-Zahllast gegenüber dem Finanzamt abzugsfähig. ❓ Doch welcher Zeitpunkt ist maßgeblich für die Anrechnung der Umsatzsteuer? ❓ Der Zeitpunkt der Bezahlung oder der Zeitpunkt der Leistung bzw. Rechnungserstellung? ➜ Hier besteht der grundsätzliche Unterschied zwischen Sollversteuerung und Istversteuerung. Sollversteuerung und Istversteuerung spielen für die Umsatzsteuervoranmeldung und die Umsatzsteuer-Erklärung eine Rolle. Es kommt für die Umsatzsteuerschuld gegenüber dem Finanzamt darauf an, wann eine Umsatzsteuer entstanden ist oder tatsächlich eingenommen wurde. Der wesentliche Unterschied ist hier übersichtlich dargestellt – mit einer kleinen Eselsbrücke zum Merken:
SollversteuerungDie Sollversteuerung stellt den Grundsatz der Besteuerung nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) dar. Umsatzsteuer wird zu dem Zeitpunkt berechnet, zu dem Rechnungen an die Kunden gestellt werden. Es spielt hierbei keine Rolle, wann der Betrag tatsächlich bezahlt wird. Dies gilt auch dann, wenn in der Rechnung ein genaues Zahlungsziel festgelegt wird. ➜ Beispiel: Unternehmer U stellt dem Kunden K am 25. September 2014 eine Rechnung über 119,- Euro für eine erbrachte Leistung aus (100,- EUR + 19,- EUR MwSt.). ➜ U schuldet dem Finanzamt folglich für das dritte Quartal 2014 diese Umsatzsteuer in Höhe von 19 Euro, auch wenn die Überweisung des K an U erst im vierten Quartal auf dem Konto des U gutgeschrieben wird. Denn für die Entstehung der Umsatzsteuer-Schuld gilt (bei Versteuerung nach dem Soll) das Datum der Rechnung. IstversteuerungDie Istversteuerung bewirkt, dass die Steuerschuld in Bezug auf die Umsatzsteuer erst mit dem Ablauf des Voranmeldezeitraums entsteht, in dem das Entgelt tatsächlich vereinnahmt wurde. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen, die keine doppelte Buchführung betreiben und eine Einnahme-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermitteln, stellt dies eine erhebliche Arbeitserleichterung dar. Es zählt schlicht nur das, was tatsächlich in die Kasse oder aufs Konto geflossen ist. Komplizierte Erwägungen zum Zeitpunkt der Entstehung von Forderungen, des Abschlusses einer erbrachten Leistung oder der Anrechnung von Vorauszahlungen sind nicht erforderlich. Gerade für Start-ups empfiehlt es sich, am Anfang der Tätigkeit gleich einen Antrag auf Istversteuerung beim Finanzamt zu stellen. ➜ Beispiel: Wie oben bei der Sollversteuerung. ➜ Hier kommt es auf den Zeitpunkt der Zahlung (bzw. Eingang des Betrags auf dem Konto des U) an: Zahlt K bar am 30. September, wird die Umsatzsteuer-Schuld des U für das dritte Quartal um 19 Euro erhöht. Zahlt K dagegen erst am 1. Oktober (oder geht das Geld erst dann auf dem Konto des U ein), werden 19 Euro für die Umsatzsteuer-Schuld des vierten Quartals berechnet. Vorteile Die Istversteuerung ist gerade für kleinere und mittlere Unternehmen geeignet. Auch wer sich erstmals selbstständig macht, sollte zunächst nach der Istversteuerung vorgehen. Die Vorteile der Istversteuerung sind überzeugend: ✔ Bessere Liquidität ➜ Die Umsatzsteuer muss erst dann dem Finanzamt zurückerstattet werden, wenn der Kunde tatsächlich bezahlt hat. Für die Steuer kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Lieferung oder andere Umstände an. ➜ Andererseits kann die Vorsteuer bereits mit Rechnungstellung gutgeschrieben werden. ✔ Vereinfachte Buchhaltung ➜ Die für die Umsatzsteuervoranmeldung relevanten Beträge können einfach aus den Ein- und Ausgängen auf dem Konto abgeleitet werden. ➜ Dies gilt allerdings nur, wenn auch für die Vorsteuer die Methode der Istversteuerung gewählt wird. Bei welchen Unternehmen kommt die Istversteuerung zur Anwendung?Die in § 4 Nr. 1 bis 28 UStG aufgezählten Tatbestände der Die Istversteuerung stellt eine Erleichterung für die Buchhaltung kleinerer und mittlerer Unternehmen dar. Deshalb ist sie auch nur unter bestimmten Umständen zulässig. Welche Unternehmen zur Istversteuerung berechtigt sind, ergibt sich aus § 20 UStG: ✔ Betriebe, die nicht zur Buchführung verpflichtet sind ✔ Selbstständige, die einen freien Beruf ausüben
✔ Unternehmen, die im Vorjahr einen Umsatz von 500.000 Euro oder weniger erwirtschaftet haben Umsatzsteuerbefreiung sind ausgesprochen vielfältig. Finanzamt erteilt die Genehmigung zur IstversteuerungDie Istversteuerung muss vom Finanzamt genehmigt werden, denn sie stellt im gesetzlichen Sinn eine Ausnahme dar. Die Genehmigung gilt für das Kalenderjahr, sie kann jedoch jederzeit widerrufen werden. Wird dieser Widerruf vom Finanzamt ausgesprochen, gilt für das gesamte Kalenderjahr die Sollversteuerung. Allerdings darf die Finanzbehörde diesen Widerruf auch nur zu Beginn des Kalenderjahres aussprechen. Wenn die Voraussetzungen des § 20 UStG jedoch tatsächlich nicht mehr vorliegen (wenn zum Beispiel der Jahresumsatz 500.000 Euro übersteigt) bedarf es keines ausdrücklichen Widerrufs durch das Finanzamt, um zur Verpflichtung zur Sollversteuerung zurückzukehren. Es gibt bestimmte Fallkonstellationen, bei denen das Finanzamt in der Regel die Berechtigung zur Istversteuerung widerruft. Es sind dies Fälle, in denen der Verdacht eines Missbrauchs naheliegt, sodass der Steueranspruch des Staates gefährdet erscheint. Hier sind einige Beispiele für solche Fälle aufgeführt:
Rückwirkend möglich: Der Antrag auf Wechsel zur Istversteuerung nach § 20 UStG ist nicht an Fristen gebunden. Er kann deshalb auch rückwirkend gestellt werden. Auch eine bestimmte Form (zum Beispiel Schriftform) ist nicht erforderlich. Letztlich ist auch eine stillschweigende Genehmigung durch das Finanzamt denkbar, wenn der Unternehmer nämlich in seiner Umsatzsteuer-Erklärung oder in der Umsatzsteuer-Voranmeldung die Umsatzsteuer erkennbar nach vereinnahmten Beträgen berechnet und dies vom Finanzamt angenommen wird. Der Antrag auf Istversteuerung ist also
Welcher Zeitpunkt zählt?Manchmal ist es zweifelhaft, welcher Zeitpunkt für die Einnahme bei der Istversteuerung maßgeblich ist. Bei einer Barzahlung ist der Fall klar: Es gilt das Datum, an dem das Geld bezahlt wurde. Hier sind in einer Übersicht die verschiedenen Formen der Vereinnahmung aufgeführt:
Wer darf istDas Anrecht auf eine Anwendung der Ist-Versteuerung in der Buchhaltung haben: Nicht bilanzierungspflichtige Unternehmen: Einzelunternehmer und GbRs, die einen Umsatz oder Gewinn unterhalb der Buchführungspflichtgrenze von 600.000 Euro (Umsatz) bzw. 60.000 Euro (Gewinn) im Jahr erzielen. Freiberufler.
Für wen gilt die istFür Gas-, Wasser- oder Elektrizitätswerke und für Anstalten zur Müllbeseitigung ist zwingend eine besondere Form der Istbesteuerung vorgesehen: Das Entgelt gilt mit Rechnungslegung als vereinnahmt, die Teilzahlungsanforderungen gelten als Rechnungen.
IstDie Umsatzgrenze der Ist-Besteuerung steigt von 500.000 Euro auf 600.000 Euro. Mehr Unternehmen können dann erst nach Zahlungseingang die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Die Umsatzgrenze für die Ist-Besteuerung soll von 500.000 Euro auf 600.000 Euro steigen. Das hat der Deutsche Bundestag beschlossen.
IstDer § 20 UStG bezieht sich mit dem Betrag auf das vorangegangene Kalenderjahr. Damit gilt für 2020: Hat der Umsatz eines Unternehmers im Jahr 2019 die Grenze von 600.000 Euro nicht überschritten, kann der Unternehmer einen Antrag auf Istversteuerung stellen.
|