Mit Themelioi (Grundpfeiler) bezeichnet Claudius Ptolemaios astronomisch gewonnene und berechnete Geokoordinaten antiker Orte. Die Sammlung und Weitergabe dieser Daten hat eine bis weit vor Ptolemaios zurückgehende Tradition. Die Überlieferung dieser auf Messungen von Himmelserscheinungen zurückgehenden Werten lässt sich in Einzelfällen über mehrere antike Geographen und über viele Jahrhunderte zurückverfolgen. Ptolemaios selbst standen sogar Berichte von Mondfinsternissen aus dem 800 Jhd. v. Chr. zur Verfügung und wie seine Vorgänger Eratosthenes und Hipparch benutzte er sie als maßgebliche Elemente seiner Weltkarte. Im Ergänzungsband zur 2006 von der Ptolemaios-Forschungsstelle in Bern neu aufgelegten Geographia des Claudius Ptolemaios haben Alfred Stückelberger [1]. und Florian Mittenhuber [2] die Bedeutung und Auswirkungen dieser astronomischen Daten auf die Karten des Ptolemaios herausgearbeitet. Auf diesen Ergebnissen und dem was Ptolemaios selbst über die "Unerlässlichen Grundlagen der Geographie" (Geogr. Kapitel 2-5) gesagt hat aufsetzend, versucht dieser Aufsatz neue Erkenntnisse über die Arbeitsweise zu gewinnen oder zumindest weitere Verzerrungen erkennen und/oder erklären zu können. Show Abb. 1: Weltkarte von Ptolemaios mit den zwölf Winden Kritische Betrachtung der Arbeitsweise des Claudius Ptolemaios
Im 2. Kapitel des 1. Buches der Geographia beschreibt Ptolemaios grob die Arbeitsweise, die er für das Erstellen einer proportionsgenauen Karte der bekannten Welt für unerlässlich hält. Er unterscheidet dabei qualitativ grundsätzlich zwei Datenkategorien. Zum einen die aus der reichhaltigen Reiseberichtsliteratur(Periplus) gewonnenen Distanzen zwischen einzelnen Orten, sowie die unabhängig erfolgten astronomischen Breiten und Längenmessungen mittels Schattenmesser, dem Astrolabium/Armillarsphäre oder durch Mondfinsternisbeobachtungen. Während die astronomischen Daten unabhängig und direkt nutzbar sind, muss die Reiseberichtsliteratur zuerst bewertet und nutzbar gemacht werden. Gemeint ist damit, dass bei Land und Seereisen Unregelmäßigkeiten ermittelt und heraus gerechnet werden müssen, um die direkte Distanz (Luftlinie) zu ermessen. Dabei wird er die auf einer Reise vorherrschenden Winde, eventuelle Rastzeiten oder geographische und sonstige Hindernisse gemeint haben. Diese können aber meist nur grob ermittelt werden und die in den dann verwendeten Distanzen enthaltenen Fehlertoleranzen können sich über die gesamte Oikumene zu beachtlichen Abweichungen summieren. Dies war Ptolemaios offenbar bewusst und er schreibt folgerichtig dass die astronomischen Daten zuerst auf einer Karte als Grundpfeiler(themelioi) eingetragen werden sollten während sich anders ermittelte Distanzen nach diesen zu richten hätten (Ptol. Geogr. I 4,2). Abb.2: Portrait des Ptolemaios mit Armillarsphäre von Joos van Gent Die astronomische Komponente Wir wissen heute, dass Ptolemaios mit seiner Karte die Breiten seiner Orte zumeist sehr genau bestimmt hat. Bei den Längen dagegen treten gravierende Differenzen auf zu denen es heute eine Reihe von Erklärungsmöglichkeiten gibt. Sein falsch angenommener Erdumfang könnte ein Grund gewesen sein, aber es gibt auch starke Abweichungen in den von ihm als so zuverlässig angenommenen astronomischen Messwerten soweit sie heute rekonstruierbar sind. Er selbst nennt als Beispiel für diese Messmethode die bekannte Mondfinsternis die während des Alexanderzuges am 20. Sept. 331 v.Chr. jeweils in Karthago und Erbil zu unterschiedlichen Zeiten beobachtet wurde. Die zeitliche Differenz der Beobachtungen von drei Stunden ergibt bei einer Einteilung der Weltkugel in 360 Abschnitte eine Längendifferenz von 3 x 15° =45° zwischen diesen beiden Städten. Dieser Abstand findet sich exakt auch so in den Koordinaten des Ortskataloges wieder. Der reale Abstand beträgt aber nur ca. 34°, womit in diesem speziellen Fall ein Längenfehler von ca. 1200km! bei korrekt veranschlagtem Erdumfang identifiziert ist. Man darf aber nicht annehmen, dass alle diese Himmelsbeobachtungen derartige Abweichungen hatten. So überliefert uns schon Plinius (Plin. Nat. hist 2,180) für dieselbe Finsternis, diesmal von Sizilien aus beobachtet, einen wesentlich genaueren Wert von entsprechend 30° Längendifferenz gegenüber realen 28°30' wenn man Syrakus als Standort annimmt. [1]. Durch die noch mit der nötigen Präzision kämpfende antike Zeitmessung wurden diese Beobachtungszeitpunkte offenbar auch nur stundengenau ermittelt. Das heißt, dass diese Art der Längenmessung überhaupt nur exakt sein konnte, wenn die reale Distanz zwischen den Beobachtungsorten auch annähernd ein Vielfaches von 15° war. Zur Zeit des Ptolemaios gab es aber auch schon Wasseruhren, die auch kleinere Zeiteinheiten relativ genau darstellen konnten (Vitruv VIIII, 8). Für die astronomische Berechnung von Breitenwerten gab es schon seit Pytheas von Massalia(4.Jhd v. Chr.) überlieferte anerkannt präzise Messwerte. So galt sein Breitenwert der Insel Thule sehr lange als der nördlichste Punkt der bekannten Welt. Das Messverfahren beruhte auf der Sonnenstandsmessung und war damit, anders als die astronomische Längenmessung, jedes Jahr überprüfbar. Das Problem war nur, dass das anscheinend nicht im ausreichenden Masse getan wurde. Die für Hipparch bezeugten Breitenwerte von Karthago und Byzanz, also zwei sicherlich gut bekannten Orten in der Antike, sind extrem falsch und unkorrigiert in die Karten bei Ptolemaios eingeflossen. Möglicherweise ist das ein Hinweis darauf, dass wirkliche astronomische Breitenmessungen nur in relativ unbekannten Gebieten vorgenommen und überliefert wurden. Eine große Quelle mit astronomischen Daten werden auch die poleis episemoi gewesen sein, deren eigenständige Überlieferung außerhalb der Geographia und Übereinstimmungen mit für Hipparch bezeugten astronomischen Daten sicherlich bedeutend sind. [3] Abb. 3: der sogenannte "Becher von Vicarello" beschreibt eine antike Reiseroute von Gades nach Rom Die geometrische Komponente
Qualitativ schlechter angesehen werden von Ptolemaios auf jeden Fall die ermittelten Distanzen aus den Reise und Feldzugsberichten. Die Beispiele die er anführt lassen erahnen warum das so ist. So versucht er zunächst die Glaubwürdigkeit jedes Berichtes zu erfassen. Dann wird auf unterschiedlichste Art und Weise versucht die tatsächlich zurückgelegten Strecke in Stadien abzuschätzen. Er vergleicht konkurrierende Berichte untereinander und zieht am Ende dieser Betrachtungen nahezu für jede Reisebeschreibung einen anderen dazu passenden Abzug in Rechnung um die Luftdistanz zwischen einzelnen Orten zu ermessen. Oft wurde nur die Gesamtreisedauer überliefert, aber nicht die Tage an denen man tatsächlich unterwegs war. Bei Seereisen galt es herauszufinden, ob es sich um Tagesetappen oder um Tag-und-Nachtfahrten handelte. Die Unwägbarkeiten gipfeln in kaum lösbaren Fragestellungen wie z. B. ob die Formulierung "einige Tage" nun viele oder wenige Tage bedeutet (Geogr. 1,14,3). Dass er, wie oft vermutet, auch auf antike Straßenkarten zurückgegriffen hat erwähnt er an keiner Stelle. Diese verhältnismäßig zuverlässigen Daten werden zumindest aber indirekt über die Reiseberichte von Händlern eingeflossen sein, die solche Karten/Itinerare benutzten. Andererseits waren diese Berichte weniger detailliert bezüglich der eingeschlagenen Himmelsrichtung, da diese vom Straßennetz vorgegeben und daher meist belanglos war. Ausführlich zu den geometrischen und astronomischen Quellen der Geographia hier [4]. Abb. 4: Zerdehnung und Stauchung durch Fehler in der Grundpfeilerberechnung. Schwachstellen und Problematik des Verfahrens
Generell kann man aber sagen, dass bei allen Widrigkeiten die Kombination und Gewichtung von astronomischen und geometrischen Daten für die damalige Zeit der richtige Weg war um die erste proportionsgetreue Weltkarte zu erstellen. Durch die Ungenauigkeit der astronomischen Quellen und der Fehleranfälligkeit der Messwerte aus der Reiseberichtsliteratur entstehen aber zwangsläufig Verwerfungen in der Karte immer dann, wenn die jeweiligen Fehler in den beiden Kategorien sich nicht gegenseitig aufheben, sondern im Regelfall nicht zueinander passen oder sich sogar gegenseitig verstärken. So wird ein gravierend falsch auf astronomische Weise bestimmter Abstand zwischen zwei Städten nur schwer zu einer möglicherweise parallel dazu überlieferten Reiseroute eines Händlers passen. Die Frage ist deshalb, wie Ptolemaios bei derart widersprüchlichen Sachverhalten in seinem Kartenerstellungsprozess verfahren ist ? Nimmt man ihn wörtlich, dann hat er die aus der Reiseberichtsliteratur gewonnenen Daten den astronomischen untergeordnet. Als Resultat hätte er seine geometrischen Daten strecken oder stauchen müssen, wenn er diese Quelle nicht so gar ganz verwerfen wollte. In direkter Umgebung seiner astronomischen Grundpfeiler müssten die Fehlertoleranzen noch recht moderat ausgefallen sein, sofern er seine geometrischen Daten widerspruchsfrei einzeichnen konnte. Dort wo zwei dieser autonom berechneten Bereiche aufeinander trafen sollte es aber zu Stauchungen und Zerdehnungen gekommen sein (Abb.4), in denen die zwangsläufig angehäuften Differenzen der astronomischen und der geometrischen Komponenten abgebaut werden mussten. In diesen Übergangszonen sind also möglicherweise ganz spezielle Verformungsmuster zu erwarten und zu berücksichtigen.
Visualisierung der Längen und Breitenfehler
Es soll nun versucht werden diese autonom positionierten Bereiche teilweise sichtbar zu machen. Wir gehen davon aus, dass Ptolemaios eine Vielzahl von Daten benutzte, deren Koordinaten auf Alexandria bezogen waren. So sind Längen und Breitenkoordinaten der Bedeutenden Städte (polis episemoi), die Ptolemaios wahrscheinlich aus einer älteren Quelle (wahrscheinlich Hipparch)[5] übernommen und im 8. Buch der Geographia vor jede Länderkarte gesetzt hatte, im Stundenabstand von Alexandria aufgeführt, obwohl die Koordinaten der Einzelkarten auf den Nullmeridian bei den insulae fortunatae (Kanaren) bezogen und in Grad angegeben waren. Für eine Reihe von Orten, die heute als relativ sicher identifiziert gelten, berechnen wir dann die Differenzen der Breiten und Längen von der realen Position zu der Position bei Ptolemaios und erstellen jeweils für Längen und Breitengrade eine eigene Karte und stellen dies farblich dar. Die Identifizierungen sind überwiegend aus der Datenbank zur Geographia übernommen und entsprechen damit weitestgehend denen aus dem Barrington Atlas.
Die Formel zur Berechnung der Längenkarte inklusive Umrechnung des Nullmeridians auf Alexandrien lautet also:
LängendifferenzOrtX = LängeOrtX_Ptol - ( LängeOrtX_Real + ( LängeAlex_Ptol - LängeAlex_Real ))
Die Formel zur Berechnung der Breitendifferenzen ist einfacher, da die Breitengrade des Ptolemaios mit der heutigen Gradeinteilung kompatibel sind und lautet darum:
BreitendifferenzOrtX = BreiteOrtX_ptol - BreiteOrtX_real Die realen Koordinaten der identifizierten Orte sind weitestgehend ohne Anpassung aus der Wikipedia entnommen. Da wirklich sichere Identifizierungen nur im Bereich des ehemaligen römischen Reiches existieren, wird der Untersuchungsbereich bei Ptolemaios auf dieses Gebiet beschränkt, das heißt im Längenbereich von 0°-75° sowie im Breitenbereich von 23°-65°. Das visualisierte Ergebnis der Berechnung ist in Abb. 5 - 6 zu sehen. Zur besseren Orientierung ist am unteren Rand der Längenkarte eine hypothetische gleichbleibende Längenverschiebung eingefügt, wie sie aus dem Abstand zwischen Alexandria und Gades bei Ptolemaios errechenbar ist. Anhand dieses Farbverlaufes lässt sich feststellen, wo die Koordinaten lokal besser oder schlechter geworden sind. Durch einen Doppelklick auf die Grafik erhält man eine vergrößerte Ansicht, in der unter dem Mauszeiger auch der entsprechende Ort mitsamt der errechneten Differenz einsehbar ist. Abb. 5: Längenfehler bei PtolemaiosAbb.6: Breitenfehler bei Ptolemaios Beobachtungen bei den visualisierten Längen- bzw. Breitenfehlern
In den visualisierten Längen- und Breitenfehlern lassen sich ganz klar einige Bereiche erkennen, in denen offenbar falsche Koordinaten zu gravierenden Verschiebungen ganzer Kartenabschnitte geführt haben.
Östlich der Baetis-Mündung und mit Ausnahme von Carales und Lilybaion liegen alle diese Orte in der Realität ungefähr auf dem 36° Breitengrad. Bei Ptolemaios liegen aber auch diese beiden Ausnahmen bei exakt 36° während die weiteren Orte nur wenig um den genannten Parallel schwanken. Einzig das Kap Tainaron bildet an der Südspitze Griechenlands eine Ausnahme (s.o.). Bei Ptolemaios sind alle oben genannten von den modernen Werten oder dem 36. Breitengrad abweichende Orte auch Teil einer der oben genannten Verschiebungen um Nordafrika. Deshalb könnte man eine mögliche Erklärung für die falschen Breitenwerte von Karthago und Kyrene auch in einer älteren potentiellen antiken Konstruktionsachse am 36. Breitengrad suchen. Was aber möglicherweise bedeuten könnte, dass für diese als "astronomisch ermittelt" angesehenen Werte, tatsächlich keine wirklichen astronomischen Messungen vorlagen, sondern diese zweitrangig von der 36° Seereisenroute ausgehend errechnet wurden, was der von Ptolamaios angeführten Gewichtung von astronomischen und geometrischen Daten eklatant widersprechen würde. Wir gehen aber davon aus, dass Ptolemaios von der astronomischen Herkunft seiner hipparchischen Werte von Karthago und Kyrene überzeugt war und deshalb sind diese Überlegungen zum 36° Breitengrad nur eine Randbemerkung und für die weiteren Schlußfolgerungen ohne Belang. Wir stellen deshalb nur fest, dass falsche Breitenwerte und verzerrte Orte im Umfeld des 36° Parallels in auffälliger Weise korrellieren.
Zwischenbilanz
Die bisherigen Beobachtungen wiedersprechen nicht den obigen Annahmen. Es gibt anscheinend einige autonom konstruierte Bereiche in den Karten des Ptolemaios. Diese Bereiche sind grob anhand gleicher Längen- bzw. Breitenfehler fassbar. In Einzelfällen sind durch Quellenvergleiche sogar die wahrscheinlichen Ursachen der Deformationen rekonstruierbar und diese gehen zumeist auf astronomische Beobachtungen zurück (z.B. Sonnenfinsternis Karthago-Erbil, identische aber falsche Breitenwerte des Schattenwerfers bei Vitruv). Die erkennbaren autonom konstruierten Bereiche sind:
Die Übergangsbereiche zwischen den autonomen Bereichen sind selten scharf abgegrenzt, sondern die Differenzen zwischen diesen Bereichen werden in der Regel schrittweise angeglichen. Einige grob falsche Positionierungen lassen sich durch diese Anpassungen in den Übergangsbereichen erklären:
Durch die großräumigen Anpassungen zwischen den autonom konstruierten Bereichen ist es teilweise fraglich, ob die in den Übergangsbereichen bei Ptolemaios ablesbaren Entfernungen noch einen plausiblen Zusammenhang mit den nicht astronomisch ermittelten Entfernungen haben, die dem Geographen tatsächlich vorlagen. Die Differenzen sind teilweise so hoch, daß unterschiedliche Maßeinheiten oder schwieriges Gelände als Begründung nicht zufriedenstellend herhalten können. Möchte man Rückschlüsse auf die verwendete Maßeinheit ziehen so sind in den Übergangsbereichen auch diese hier erarbeiteten konstruktiven Faktoren zu berücksichtigen. Genau gesagt ist sogar erst die exakte Längen bzw. Breitendifferenz zwischen den autonom konstruierten Bereichen zu ermitteln um brauchbare Rückschlüsse auf potentielle Entfernungsangaben und deren Maßeinheiten in den Übergangszonen überhaupt zu ermöglichen. Abb.8: Globus mit Bezug zur Geographia von Ptolemaios von Johannes Schöner 1520, Germanisches Nationalmuseum. Deutlich sieht man die typische Ostverschiebung von Schottland und Dänemark.Weitere Folgerungen unter Berücksichtigung der Beobachtungen
Sollten diese Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des Ptolemaios korrekt sein, dann ergibt sich die Möglichkeit einen weiteren autonom konstruierten Bereich mitsamt Übergangszone zu spezifizieren, dessen offensichtliche Unzulänglichkeiten bisher damit erklärt wurden, dass die Informationen über dieses Gebiet zu spärlich aber vor allem zu ungenau gewesen sein müssen. Die Rede ist von Germanien sowie dem gesamten Ostseeraum bis hin nach Schottland. Beim Betrachten des nördlichen Abschnittes dieses Gebietes, auf der Karte mit den visualisierten Längenfehlern fällt auf, dass insgesamt nur sehr wenige Toponyme existieren, diese aber allesamt über eine bemerkenswerte Präzision bezüglich der Längenpositionierung im Vergleich zu ihren identifizierten Orten und Küstenpunkten verfügen. So hat die Küstenlinie im vermuteten Bernsteingebiet im Baltikum (Chronos-Mündung +0,95°) eine bessere Längendifferenz als die Orte gleicher ptol. Länge in Griechenland (Delphi +3,07°) und der Cyrenaika (Erythron +2,34°). Dies ist zunächst nicht unbedingt ungewöhnlich. Auffallend ist aber, dass alle weiteren Toponyme östlich davon die in allen südlicher gelegenen Gebieten auftretende Längendeformation nicht richtig mitzumachen scheinen. Die Südspitze der Insel Scandia (Mit der Südspitze Schwedens identifiziert) ist nur unwesentlich schlechter als die Chronos-Mündung positioniert. In diesem Längenbereich kann südlich davon nur noch das heutige Libyen mit dieser Genauigkeit mithalten. Gegenüber der Westküste Griechenlands und der mittleren Donau hat dieser nördliche Bereich aber schon einen Vorsprung von bis zu +4°. Im Gegensatz zu allen anderen Bereichen nimmt aber die Genauigkeit nun in Richtung Westen gegenüber dem Süden sogar zu(!). Die Nordspitze der Kimbrischen Halbinsel hat nur noch +0,91° Abweichung während das auf gleicher Länge positionierte Süditalien bereits über +6° kumulierte Längenfehler westlich von Alexandrien aufzuweisen hat. Nun folgt ein Sprung über die Nordsee und mit dem Pinata Castra (identifiziert mit dem Legionslager Inchtuthil) bekommen wir ganze 33° westlich von Alexandrien einen der besten Längenwerte (nur +0,10° Differenz) aller untersuchten Orte überhaupt. Alle anderen Orte gleicher Länge weisen bei Ptolemaios hier schon einen Längenfehler von ca. 8-10° auf. Diese Situation deutet nach den bisher erarbeiteten Ergebnissen auf einen autonom konstruierten Bereich hin. Zwar sind es nur eine Handvoll Koordinaten auf die sich diese Annahme stützen kann, aber es gibt auch keine weiteren wesentliche bisher nicht identifizierten Punkte die diese Annahme gefährden könnten. Es ist darüber hinaus auch sehr unwahrscheinlich, daß ungenaue Reiseberichte für dieses Präzisionsphänomen verantwortlich sein könnten. Denn das diese zufällig für alle nördlichen Extrempunkte zu einer genauen Positionierung geführt haben könnten entspricht nicht den Erwartungen. Bei einer von z.B. Gallien ausgehenden Konstruktion hätten diese ungenauen Reiseberichte zu einem Fächer von unterschiedlich falsch positionierten Koordinaten am nördlichen Ende der Oikumene führen müssen. Denkbar wäre also eine sehr genau überlieferte Seereise durch dieses Gebiet von Schottland über Jütland und Südschweden bis in das Bernsteingebiet im Baltikum, womit auch ein plausibles Ziel dieser potentiellen Reise definiert wäre. Es könnte sich dabei um dieselbe Route handeln die von Pytheas über 400 Jahre vor Ptolemaios beschrieben wurde. Die Gestalt eines in sich geschlossenen Bereiches mit homogenen Längentoleranzen lassen aber nach den oben gemachten Prämissen keinen anderen Schluss zu, als dass die Informationen die zu diesen Koordinaten geführt haben auch astronomischer Art sein müssen. Wir hätten also wiederum eine Parallele zu Pytheas, dessen astronomische Fähigkeiten in der Antike anerkannt waren und dessen Breitenwert der Insel Thule lange als der nördlichste Punkt der bekannten Welt galt. Möglicherweise waren diese potentiellen astronomischen Daten sogar von Ihm. Es gibt ein Anzeichen, das auf eine antike Längenbestimmung ähnlich der beschriebenen Mondfinsternisberechnung von Karthago/Erbil hindeuten könnte. So sind die Längenwerte der Orkaden (30°) sowie die Südspitze der Insel Scandia und die Weichsel-Mündung (beide 45°) durch 15 teilbar. Wir erinnern uns, dass der verfolgbare Lauf des Mondes in einer Stunde genau 15° Längenausdehnung auf der Erde beträgt. Mit dem astronomischen Längenwert von Alexandrien aus dem Kanon Bedeutender Städte (60°) ergibt sich also eine Kette von Positionierungen die sich im Stundenabstand fortsetzt. Abgeschwächt wird dieses Argument etwas dadurch, dass es gerade im Norden eine auffällige Häufung von Toponymen gibt, die sich auf durch 5° teilbaren Längengraden tummeln und diese befinden sich zum Beispiel auch im südwestlichen Britannien wieder, also außerhalb des besprochenen autonomen Bereiches (z.B. Londinium, Eboracum, Cataractonium alle auf 20° östl. der Kanaren). Eine weitere Möglichkeit eine astronomische Herkunft dieser Daten indirekt zu erhärten besteht darin in einer möglichen Übergangszone nach Anomalien zu fahnden, die durch Stauchung oder Überdehnung von geometrischen Daten entstanden sein könnten, weil Ptolemaios zwischen dem besprochenen Bereich und einer anderen autonom konstruierten Zone anpassen musste. Wenn er also im Sinne der oben gemachten Hypothese zwischen zwei Bereichen vermittelt hat dann wären die nicht gebeugten Daten/Koordinaten wahrscheinlich astronomischer Art. Es gibt mindestens vier Anomalien die diese Forderung erfüllen.
Schlussbetrachtung
Die eingangs aufgestellte Hypothese zur Arbeitsweise des Ptolemaios ist in der Lage umfangreiche Anomalien in den Karten aus der Geographia im Untersuchungsbereich zu erklären. Die Ursachen dieser Fehler gehen in vielen Fällen auf fehlerhafte astronomische Ausgangsdaten zurück. Als Folge daraus wurden offenbar geometrische Daten in erheblichem Ausmaß gebeugt. Die aus diesen Anpassungen entstandenen Anomalien gehen daher eher auf das Konstruktionsverfahren zurück als auf unzureichend übermittelte und interpretierte Reisebeschreibungen. Es gibt also neben der angenommenen schlechteren Qualität der Reiseberichtsliteratur ebenso ein Fehlerpotential das aus dem Kartenerstellungsprozess selbst hervorgegangen ist. Die zwei Fehlerursachen sind unabhängig und es ist daher gut möglich, dass trotz offensichtlicher Unstimmigkeiten in den Karten, das dem Ptolemaios vorliegende Ausgangsmaterial der Realität weit mehr entsprach. Seine höhere Priorisierung der astronomischen Daten hätte dann in einigen Fällen die bessere Qualität eines potentiellen Itinerars nicht nur nicht zum Zuge kommen lassen, das Kartenerstellungsverfahren zwang dann regelrecht dazu auch richtige Reiseberichte zu Gunsten falscher astronomischer Daten zu verfälschen. Die Frage nach den Quellen der präzisen Längenkoordinaten im Ostseeraum ist von besonderem Interesse, da man bisher von in ihrer Genauigkeit eher zweifelhaften Daten für dieses Gebiet ausging. Die letzte vor Ptolemaios historisch faßbaren Expeditionen in dieses Gebiet waren die Flottenfahrt zur kimbrischen Halbinsel unter Tiberius im Jahre 7 n. Chr (Velleius) sowie eine Unternehmung eines römischen Ritters unter Nero von Carnuntum ausgehend, zur Beschaffung von Bernstein für Zirkusspiele (Plinius). Sie belgen einerseits ein bestehendes Interesse an diesem Gebiet, erklären aber nicht warum die Längenkoordinaten so viel besser sind als im Gebiet des römischen Reiches. Da die Längenwerte ohne Probleme Anschluss an die Längentoleranzen des nördlichen Schwarzmeergebietes haben, könnte man auch hier einen östlichen antiken Handelweg vermuten. Für wesentlich spätere Zeit meint Georg Jacob [6] diese Handelsroute anhand kufischer Fundmünzen rekonstruieren zu können. Für die Germanienkarte ergeben sich völlig neue Aspekte und Identifizierungsmöglichkeiten. War man bisher davon ausgegangen, dass über Rhein und Donau hinausgehend die Verlässlichkeit der Koordinaten des Ptolemaios stark abnehmen würde, steht man jetzt vor dem Problem, dass die besten Längenwerte der gesamten Geographia (Inchtuthil, Chronos-Mündung und Kap Skagen) in einem Gebiet weit außerhalb des römischen Imperiums liegen. Als Kontrast zu diesen sehr präzisen Längenwerten im Osten Germaniens, stehen die ca. 8-10° verschobenen Flußgrenzen von Rhein und Donau. Da es innerhalb der 4. Europakarte(Germanien) keinen ebenso breiten ortsfreien Streifen gibt, kann es eigentlich nur so sein, dass Ptolemaios und/oder Marinos ihre geometrischen Daten innerhalb dieser Karte stark zerdehnt haben. Gleichzeitig werden einige Toponyme ausschliesslich nur von einem Fixpunkt aus positioniert worden sein. Entweder von Rhein/Donau/Nordseeküste oder sogar von der Ostseeküste ausgehend. Zwischen diesen Orten und den Zerdehnten ist aufgrund des riesigen Längenfehlers der reale geographische Zusammenhang verloren gegangen. Als Resultat könnte z.B. Luppia=Lippstadt auf der falschen Seite der Weser gelandet sein, weil die Längenwerte der Weser eben nicht zerdehnt wurden und die geometrischen Informationen dieses Flusses ausschliesslich auf Rhein/Donau bezogen waren. Das führt zu Identifikationsmöglichkeiten, die bisher als absurd verworfen wurden. So wäre es z.B. nun statthaft das weit im Osten Germaniens liegende Asciburgium-Gebirge mit der Mittelgebirgskette von Wiehengebirge,Teutoburgerwald und Harz zu identifizieren. Definiert man die Ränder dieser Gebirgskette bei Ptolemaios zwischen dem heutigen Ibbenbüren und Halle(Saale) ergeben sich Längengenauigkeiten, die sehr gut zu dem oben beschriebenen Werten des Ostseeraumes passen (Ibbenbüren +0,71°, Halle(Saale) +1,46°). Das heisst die beschriebene Identifikation wäre unter der Prämisse plausibel, wenn man davon ausgeht, dass die genannte Mittelgebirgskette bei Ptolemaios von z.B. der Chronos-Mündung im Bernsteingebiet ausgehend positioniert worden wäre. Das macht aber eine generelle Identifizierung der Orte der 4. Europakarte nicht unbedingt einfacher, denn im Prinzip hat sich der für eine als glaubhaft erachtete Identifizierung gültige Bereich für jeden Ort in Germanien in der Länge enorm erweitert. Immerhin sind wie oben schon erwähnt bei Ptolemaios bis zu 10 Längengrade mehr vorgesehen als in der Realität vorhanden. Und für jeden Ort ergeben sich mit den Ostseekoordinaten weiterere Fixpunkte von denen ausgehend eine glaubhafte Positionierung seitens Ptolemaios erfolgt sein kann.
Quellenverweise:
[ 1 ] Alfred Stückelberger , Kap.3.1 Masse und Messungen, Ergänzungsband Geographie , S. 218-244 [ 2 ] Florian Mittenhuber , Kap.3.2 Falsche Breitenwerte und ihre Folgen, Ergänzungsband Geographie , S. 245-252 [ 3 ] Stückelberger/Mittenhuber/Koch , Kap.2.2 Kanon der Poleis episemoi, Ergänzungsband Geographie [ 4 ] Alfred Stückelberger , Kap.2.1 Zu den Quellen der Geographie, Ergänzungsband Geographie [ 5 ] Ernst Honigmann 1929 , Die sieben Klimata und die Polis Episemoi, S. 72f [ 6 ] Georg Jacob 1887 , Der Nordisch-Baltische Handel Der Araber Im Mittelalter
Liste der identifizierten Orte für die Karten der Längen und Breitendifferenzen bezogen auf Alexandria. Wer maß als Erstes den Erdumfang?Vor 2.260 Jahren in Griechenland. So errechnete Eratosthenes als Erster den Umfang der Erde. Schon in der Antike war bekannt, dass die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel ist. Dem griechischen Gelehrten Eratosthenes gelang es, ihren Umfang mit erstaunlicher Genauigkeit zu berechnen – vor 2.260 Jahren.
Wer hat die Erde gemessen?Insgesamt hat Eratosthenes also den Umfang der Erde schon 250 Jahre vor Christus mit einer erstaunlichen Genauigkeit gemessen. Und das mit sehr einfachen Mitteln, etwas Nachdenken, und Schulwissen in Geometrie.
Wer hat die Erdkrümmung entdeckt?Eratosthenes, der etwa von 276 bis 194 vor Chr. lebte, war der erste, der den Umfang der Erde berechnet hat - und dies setzt voraus, dass die Erde keine Scheibe, sondern eben eine Kugel ist. Er war Vorsteher der berühmten Universität von Alexandria und ein Universalgelehrter.
Wer hat die Erde entdeckt?Die Weltumsegelungen von Ferdinand Magellan (1519–1522) und Francis Drake (1577–1580) (→ Weltumsegelung des Francis Drake) bestätigten das Globusmodell, die Kugelgestalt der Erde war nun praktisch bewiesen.
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