Ein unscheinbares Foto beschäftigt Millionen Menschen im Netz. Die Frage, ob die Farben des abgebildeten Kleides blau/schwarz oder gold/weiß sind, spaltet das Internet in zwei Lager. Wie kann es sein, dass die Farben auf dieser Aufnahme so unterschiedlich wahrgenommen werden? Show
Mehr zum Thema Wissen Blau/schwarz oder gold/weiß? Die Tatsache, dass die Farben so unterschiedlich wahrgenommen werden, erstaunt und polarisiert die Netzgemeinde. Vertreter beider Seiten sind jeweils überzeugt von ihrer Ansicht. Unsere Augen können uns doch kaum so sehr täuschen? Wenn Licht auf unsere Netzhaut fällt, werden seine elektromagnetischen Wellen von Fotorezeptoren aufgenommen und in Nervenimpulse umgewandelt. Das Gehirn sortiert die überschüssigen Informationen und bestimmt anhand der Wellenlänge die Farbe. 150 Farbtöne aus dem Spektrum des sichtbaren Lichtes kann der Mensch unterscheiden. Optische TäuschungDas betreffende Bild liegt jedoch in einem Grenzbereich der Wahrnehmung. Denn Menschen sind beim Sehen stark auf die Lichtverhältnisse angewiesen. Das Bild vom Kleid wurde bei sehr hellem, möglicherweise bläulichem Umgebungslicht aufgenommen. Der Hintergrund kann das Gehirn dazu verleiten, die Farben des Kleides unterschiedlich zu verarbeiten. Prozesse im Gehirn ziehen dann entweder blaues Licht ab und das Kleid erscheint weiß und gold - oder es zieht das warme Licht ab und das Kleid wird blau und schwarz. Eine weitere Theorie besagt, dass durch den Einfluss des Gehirns auf die Farbwahrnehmung Erfahrungen und Erwartungen eine wichtige Rolle spielen. So könnten ähnliche Kleidungsstücke, die man zuvor gesehen hat, den Eindruck leiten. Prof. Dr. Nikolai Axmacher vom Institut für kognitive Neurowissenschaft der Universität Bochum zeigt sich ebenfalls erstaunt von dem Phänomen, räumt aber ein: "Es besteht eine große Variabilität der Netzhautbilder. Das Licht und das Material des Kleides spielen wohl eine Rolle bei der Wahrnehmung dieses Bildes." Er nennt ein weiteres Beispiel: "Im Sonnenlicht erscheint ein Auto manchmal auch golden schimmernd. Gold entsteht durch starke Reflexion." Das Foto mit dem Kleid hält er für eine optische Täuschung. Wir kennen ähnliche Bilder, bei denen dieselbe Graustufe sehr unterschiedlich gesehen werden kann. Wenn solche Täuschungen jedoch nicht unter kontrollierten Bedingungen und geplant sind, erstaunen sie umso mehr, wie im Fall des Kleides mit den unterschiedlichen Farben. Mittlerweile ist das Rätsel um das Kleid übrigens geklärt: Ein Foto, das unter anderen Lichtverhältnissen aufgenommen wurde, zeigt, dass es tatsächlich schwarz und blau ist. Laut der Beschreibung im Online-Shop ist es ein "Royal-Blue Lace Detail Bodycon Dress". (sag) Prof. Dr. Nikolai Axmacher ist Leiter der Abteilung Neuropsychologie der Ruhr-Universität Bochum, einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Neuropsychoanalyse. In den meisten Umfragen stimmt die Mehrheit für gold-weiß. Recht hat aber anscheinend die Minderheit: Es sei blau-schwarz, versichert der Hersteller des Kleides. Markus Bautsch, promovierter Physiker und Kameraexperte der Stiftung Warentest, hat das Foto per Software analysiert und bekennt Farbe: „Blau stimmt auf jeden Fall. Beim Schwarz wird`s schon schwieriger: Die vermeintlich schwarzen Partien enthalten nachweisbar hohe Anteile an Rot und Grün – vermischt man die beiden Farben, wird Gold daraus. Allein über ein Foto lässt sich das „Dressgate“-Rätsel aber ohnehin nicht lösen, denn eine Aufnahme kann täuschen. Je nachdem, unter welchen äußeren Bedingungen sie entstanden ist und betrachtet wird, kann sie ganz unterschiedlich wirken.“ Farbe entsteht erst im KopfWer das Kleid für gold-weiß hält, hat jedenfalls weder eine Sehschwäche noch will er seine Mitmenschen veräppeln. Markus Bautsch erklärt die unterschiedliche Wahrnehmung so: „Farbe ist nicht objektiv messbar, sie entsteht erst im Kopf! Unsere Gehirne bewerten permanent die Farbtöne von allem, was wir sehen. Ein weißes Blatt Papier wird uns immer weiß erscheinen – obwohl es im Kerzenschein ganz anders aussieht als unter einer LED-Lampe. Farbe ist also etwas sehr Subjektives. Die wahrgenommene Farbe kann sowohl von der Umgebung als auch von individuellen Seherfahrungen und physiologischen Veranlagungen abhängen. Darauf basierend, nimmt unser Hirn ständig Farbkorrekturen vor.“ Auch Kameras können irrenNicht nur das menschliche Hirn arbeitet mit Farbkorrekturen, auch Kameras reagieren ganz ähnlich. Auf den beiden obenstehenden Bildern ist dieselbe Schneelandschaft zu sehen. Auf dem Foto links erkennt die Kamera den vom Sonnenaufgang beleuchteten Schnee als hellsten Punkt im Bild und definiert ihn als Weiß. Durch diesen „Fehlschluss“ werden auch die anderen Farben falsch dargestellt, ein blauer Schleier legt sich über die im Schatten liegenden Schneeflächen. Wer die Naturszene möglichst originalgetreu aufnehmen will, muss einige Einstellungen verändern, um den Weißabgleich der Kamera zu korrigieren. Hierzu kann der Fotograf mit Grau- oder Weißkarten einen eigenen Weißabgleich durchführen. Da in der Schneelandschaft kein reines Weiß, sondern eher Grau vorkommt, bietet sich hier die graue Variante als Referenz an. Alternativ hilft auch ein Motivprogramm der Kamera, zum Beispiel der Modus „Sonnenaufgang“. Gute Kameras finden Sie auf test.de im Produktfinder Kameras. Weiß ist nicht gleich WeißExperten können am Computer eine Tonwertkorrektur vornehmen. Wie das geht, erklärt Projektleiter Markus Bautsch: „Eine digitale Kamera ermittelt bestimmte Farbwerte für die Primärfarben Rot, Grün und Blau. Es ist aber nicht eindeutig, wie diese Farbwerte in einem digitalen Bild miteinander ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Per Bildbearbeitungs-Software kann der Fotograf diese Primärfarben angleichen, um einen bestimmten Farbeindruck hervorzurufen. Oft lässt sich ein recht gutes Ergebnis erzielen, wenn er für jede der drei Primärfarben den jeweils hellsten Punkt im Bild auf die maximale Farbhelligkeit einstellt – und den jeweils dunkelsten Punkt auf das Minimum. So wird der hellste Punkt als weiß definiert und der dunkelste als schwarz. Mit diesem Trick kommt dann das rechte Bild zustande, das den erlebten Augenblick authentischer wiedergibt als das linke.“ Escher lässt grüßenDas weiß-goldene, äh, blau-schwarze Kleid ist bei weitem nicht der erste Fall, der manchen Betrachter an der eigenen Wahrnehmung zweifeln lässt. Die berühmten Bilder von M.C. Escher spielen genau mit dieser Unsicherheit. Recht bekannt ist auch die Schachbrett-Illusion des Psychologie-Professors Edward H. Adelson. Die Felder A und B scheinen sich in puncto Helligkeit zu unterscheiden, sind aber tatsächlich identisch. Verbindet man die beiden Felder, wird dies deutlich. Warum es zu der optischen Täuschung kommt, erläutert Markus Bautsch: „Der Mensch weiß, dass ein Schachbrett abwechselnd aus hellen und dunklen Feldern besteht. Das Gehirn analysiert diese Szene und setzt automatisch voraus, dass alle hellen Felder gleich hell und vor allem heller sind als die dunklen Felder. Tatsächlich weisen die Felder A und B aber exakt die gleiche Helligkeit auf. Unser Vorwissen beeinflusst hier also die Sinneswahrnehmungen.“ Grün + Pink = GrauDie Green-Dot-Illusion zeigt einen grünen Punkt, der sich auf einer grauen Oberfläche mit pinken Punkten kreisförmig bewegt. Konzentriert sich der Betrachter auf das schwarze Kreuz in der Mitte des Bildes, verschwinden die pinken Punkte langsam. Da Grün und Pink Komplementärfarben sind, neutralisieren sie sich und verschmelzen zu einem Grau. Tipp: Um den bestmöglichen Effekt zu erzielen, sehen Sie sich das verlinkte Video im Vollbildmodus an. Ein Trip ins PhantasmatronAm beeindruckendsten ist aber vielleicht das Phantasmatron. Blickt man eine Zeit lang entspannt in die hypnotisch rotierende Spirale, um dann die Augen rasch auf ein beliebiges Objekt zu richten, „wellt“ sich dieses Objekt und scheint sich dreidimensional auszudehnen. Ein Erlebnis wie auf Drogen – nur eben gratis und ohne Suchtfaktor. Tipp: Auch bei diesem Video-Link gilt: Schalten Sie den Vollbildmodus ein, um die volle Dröhnung zu bekommen. Ein Kleid kommt selten alleinDie Satireseite „Der Postillon“ hat indes schon das nächste Kleid gefunden, dessen Gestaltung sich nicht eindeutig klären lässt. Entscheiden Sie selbst: rot-grün gestreift oder blau-gold kariert? Welche Farbe hat das Kleid Rätsel?Tatsächlich handelte es sich um ein blau-schwarzes Kleid. Aber die Auflösung dürfte im Vergleich zur Aufregung, die das Kleid auslöste, schnell zur Nebensache werden. (Dieser Artikel wurde am Freitag, 15. Mai 2015 erstmals veröffentlicht.)
Welche Farbe hat das Kleid Test?Recht hat aber anscheinend die Minderheit: Es sei blau-schwarz, versichert der Hersteller des Kleides. Markus Bautsch, promovierter Physiker und Kameraexperte der Stiftung Warentest, hat das Foto per Software analysiert und bekennt Farbe: „Blau stimmt auf jeden Fall.
Welche Farbe hat das GoldDafür gibt es das Modell in vier schönen Farben, und gold-weiß ist definitiv keine davon: Ganz so, wie auch Caitlin McNeill bestätigt, ist das Kleid absolut blau-schwarz.
Welche Farbe hat das Kleid Gehirnhälfte?Im Rahmen einer Studie untersuchten sie die Hirne der Probanden mit einer funktionellen Magnet-Resonanz-Tomographie. Dabei fanden sie heraus, dass bei Menschen, die das Kleid in Gold-Weiß sehen frontale und parietale Hirnregionen aktiver sind als bei den Blau-Schwarz-Sehern.
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